Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. neue Behandlungsmethode. stationäre Liposuktion. kein Behandlungsanspruch mangels zuverlässiger, wissenschaftlicher Aussagen bzgl Qualität und Wirksamkeit der Leistung trotz Fehlen einer negativen Beurteilung durch den G-BA. kein Systemversagen. keine notstandsähnliche Situation
Orientierungssatz
1. Nach § 137c Abs 2 S 2 SGB 5 dürfen im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung stationäre Untersuchungs- und Behandlungsmethoden solange zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, bis der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) diese negativ bewertet und dies in einer Richtlinie regelt.
2. Allein das Fehlen einer negativen Beurteilung des GBA für die stationäre Behandlung mit Liposuktion - Fettabsaugung - führt nicht zu einem Anspruch auf die begehrte stationäre Krankenhausbehandlung. Die begehrte Behandlung muss zu ihrer Gewährung den Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien der §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 28 Abs 1 SGB 5 entsprechen (vgl BSG vom 21.3.2013 - B 3 KR 2/12 R = BSGE 113, 167 = SozR 4-2500 § 137c Nr 6).
3. Zur Qualität und Wirksamkeit der Liposuktion sind derzeit keine dem Wissenschaftlichkeitsgebot des § 2 Abs 1 S 3 SGB 5 entsprechenden zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen möglich (vgl LSG Chemnitz vom 16.1.2014 - L 1 KR 229/10).
4. Ein Anspruch auf Kostenübernahme nach den Grundsätzen des Systemversagens bzw wegen des Vorliegens einer notstandsähnlichen Situation ist gleichfalls ausgeschlossen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 21.09.2011 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zur Liposuktion ihrer Oberschenkel beidseits.
Die Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Nach einem Gewichtsverlust von ca. 40 kg wurde bei der Klägerin im Jahr 2006 eine Bruststraffung beidseits, Hautstraffung der Oberarminnenseiten beidseits und eine Abdomenplastik auf Kosten der Beklagten durchgeführt. Die Übernahme der Kosten einer Liposuktion zur Behandlung eines Reithosen-Phänomens wurde seinerzeit abgelehnt.
Am 04.06.2009 ging bei der Beklagten der Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme einer Liposuktion beider Oberschenkel ein. Dazu führte die Klägerin aus, sie leide dort an einer schmerzhaften subkutanen Fettverteilungsstörung. Auch leide sie psychisch, da sie beim Kauf von Hosen diese 4 Nummern größer nehmen müsse als die übrige Bekleidung. Mittels ärztlicher Atteste befürworteten Dr. med. E. (Facharzt für Plastische Chirurgie) und Dr. med. F. (Facharzt für Allgemeinmedizin - Sportmedizin) den Antrag der Klägerin.
Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung der Klägerin durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK), die am 30.06.2009 durch Frau Dr. med. G. durchgeführt wurde. In ihrem Gutachten vom 02.07.2007 führte sie aus, eine medizinische Notwendigkeit der beantragten Liposuktion sei nicht nachvollziehbar. Diese Maßnahme habe kosmetisch-ästhetischen Charakter. Die Klägerin habe vorgetragen, sie könne die Fülle der Oberschenkel nicht kaschieren. Es liege eine gynoide Fettverteilung (Unterhautfettgewebe im Hüft-, Gesäß- und Oberschenkelbereich) bei Adipositas vor. Die Oberschenkel seien kräftig in Anbetracht des Gewichts der Klägerin (97,5 kg bei 162 cm entspreche BMI 37). Im Bereich der Ober- und Unterschenkel seien keine blauen Flecke erkennbar. Ein Druckschmerz werde nicht angegeben. Es bestehe eine deutliche Varikosis beider Beine. An beiden Oberschenkelaußenseiten zeigten sich am Übergang von Hüfte zu Oberschenkel vermehrte subkutane Fetteinlagerungen. Die Fetteinlagerung führe zu keiner mechanischen Behinderung. Hautreizungen seien nicht vorhanden. Eine grobe Körperbildentstellung sei nicht gegeben.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 15.07.2009 ab unter Bezug auf das Gutachten des MDK.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Aufgrund der Fetteinlagerung könne sie nachts nicht richtig schlafen. Sie könne ausschließlich noch auf dem Rücken liegend schlafen. Das Liegen auf der Seite bereite ihr nach kurzer Zeit starke Schmerzen, die sie nicht zur Ruhe kommen ließen. Eine neue Matratze habe keine Besserung gebracht und kein Arzt habe ihr bisher helfen können. Des Weiteren legte die Klägerin eine Bescheinigung von Frau Dr. med. H. (Fachärztin für Dermatologie und Venerologie) vom 15.10.2009 vor. Darin wird ausgeführt, es liege bei der Klägerin eine Fettverteilungsstörung mit kombinierten Lip- und Lymphödemen vor. Die Klägerin leide unter massiv ausgeprägten Reithosen. Sie habe Schmerzen beim Liegen auf der Seite und leide deshalb auch unter Schlafstörungen. Ein operativer Eingriff mit Fettabsaugungen im Reithosen- und Hüftbereich beidseits werde danach ...