Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinterbliebenenrentenanspruch. Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe. plötzlicher Herztod eines chronisch Kranken. Beweislast
Orientierungssatz
1. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe bei einer Hinterbliebenenrente nach § 46 Abs 2a SGB 6 ist nur dann widerlegt, wenn sich bei einer Gesamtabwägung aller zur Eheschließung führenden Motive beider Ehegatten ergibt, dass insgesamt nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, den Hinterbliebenen eine Versorgung zu verschaffen (vgl BSG vom 28.3.1973 - 5 RKnU 11/71 = BSGE 35, 272 = SozR Nr 2 zu § 594 RVO).
2. Die Widerlegung der Vermutung erfordert nach § 202 SGG iVm § 292 ZPO den vollen Beweis des Gegenteils.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichtes Gießen vom 27. März 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Witwenrente.
Die 1957 in Polen geborene Klägerin ist die Witwe des 1942 geborenen und 2005 verstorbenen Versicherten E. A.. Er war Bauschlosser und beantragte am 10. Juni 2003 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, die ihm gewährt wurde ab 1. April 2004 mit monatlich zuletzt 1.088,12 Euro. In der Osterzeit im Jahre 2003 lernte der Versicherte, der damals verwitwet war, die Klägerin in Polen bei Freunden kennen. In der Folgezeit reiste die Klägerin als Touristin wiederholt nach Deutschland. Am Geburtstag des Versicherten (2003) fand die Verlobung statt. Die Klägerin reiste dann zurück nach Polen, um die Formalitäten für ihre Ausreise zu regeln. Nach eigenen Angaben nutze sie die Gelegenheit, um noch finanziell günstig eine Fahrerlaubnis in Polen zu erlangen.
Mit Schreiben vom 27. November 2003 fragte der Versicherte bei der Beklagten an, ab wann seine zukünftige Ehefrau ein Anrecht auf eine Hinterbliebenenrente habe, wie viel Prozent seiner Rente sie bekomme und wie lange die Ehe bestehen müsse, um überhaupt einen Anspruch auf Witwenrente erhalten zu können. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 5. Dezember 2003. Im Dezember 2003 kehrte die Klägerin nach Deutschland zurück und unterzeichnete am 19. Dezember 2003 einen Ehevertrag, in dem u. a. Gütertrennung im Sinne des § 1414 BGB, Erbverzicht und die Vereinbarung eines Wohnrechtes geregelt wurde. Die Klägerin verzichtete auf ihren Erb- und Pflichtteil. Außerdem wurde vereinbart, dass im Falle des Ablebens des Versicherten die Klägerin an der im ersten Obergeschoss gelegenen Wohnung seines Hauses ein lebenslanges freies Wohnrecht unter bestimmten Bedingungen erlangen sollte. Der Wert des Vermögens wurde mit 150.000,00 Euro angegeben. Am 28. Mai 2004 heirateten die Klägerin und der Versicherte.
Beim Schneeräumen am 8. Februar 2005 vor seinem Haus brach der Versicherte zusammen und verstarb. Auf die Ermittlungen der Beklagten gab der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. R. G. am 2. Mai 2005 an, dass der Versicherte chronisch krank gewesen sei. Er legte u. a. einen Reha-Entlassungsbericht vom 29. Oktober 1998 der Kurklinik H. (BS.) vor. Der ärztliche Leiter des Notarztstandortes B. Dr. C. G. diagnostizierte am 30. Juni 2005 einen Herztod durch die akuten Ereignisse und stellte als Vorerkrankungen eine koronare Herzerkrankung, einen bereits erlittenen Herzinfarkt sowie eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung fest.
Am 17. Februar 2005 beantragte die Klägerin die Gewährung von Hinterbliebenenrente. Mit Bescheid vom 30. März 2005 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, da auf Grund der Umstände von einer Versorgungsehe auszugehen sei. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und trug vor, sie habe ihre Beschäftigung in Polen aufgegeben und aus Liebe geheiratet. Ihr Ehemann habe immer gesagt, sie sei ein “Jungbrunnen„ für ihn gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da nach den aktenkundigen Unterlagen davon ausgegangen werden müsse, dass die Ehe überwiegend aus Gründen der Versorgung geschlossen worden sei. Dies ergebe sich aus dem Schreiben vom 27. November 2003, in dem nach einer Witwenrente gefragt worden sei, und dem im Dezember 2003 geschlossenen Ehevertrag. Durch diesen Vertrag seien nur andere Familienmitglieder begünstigt worden. Die finanzielle Versorgung der Klägerin habe alleine durch die gesetzliche Rentenversorgung erfolgen sollen.
Am 18. Mai 2006 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben und vorgetragen, dass sie nur aus Liebe geheiratet habe.
Mit Urteil vom 27. März 2007 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. März 2005 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28. April 2006 verurteilt, der Klägerin Witwenrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe widerlegt sei. Das Sozialgericht hat den Vortrag der Klägerin, es habe sich um eine...