Entscheidungsstichwort (Thema)
Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung wegen Nichtausübens der vertragsärztlichen Tätigkeit
Orientierungssatz
1. Nach § 95 Abs. 6 SGB 5 ist die Zulassung eines Arztes zur vertragsärztlichen Versorgung zu entziehen, wenn der Vertragsarzt seine Tätigkeit nicht mehr ausübt. Von einer Ausübung der Tätigkeit kann dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn der Arzt nicht mehr den Willen zur kontinuierlichen Teilnahme an der Versorgung hat.
2. Ab einer Fallmenge pro Quartal, die unter 10 % des Fachgruppendurchschnitts liegt, ist von einer Nichtausübung der Vertragsarzttätigkeit auszugehen.
3. Macht der Vertragsarzt eine lediglich vorübergehende Nichtausübung geltend, so muss hinreichend wahrscheinlich sein, er werde in unmittelbarer Zukunft wieder in erheblichem Maß wieder tätig werden, d. h. bereits im nächsten Quartal.
4. Ist dies zu verneinen, so kommt auch ein Ruhen der Zulassung nach § 95 Abs. 5 S. 1 SGB 5 als das gegenüber dem Zulassungsentzug mildere Mittel nicht in Betracht. Ein Ruhen darf nur dann angeordnet werden, wenn die Wiederaufnahme der Tätigkeit in angemessener Frist zu erwarten ist.
5. Maßgeblich für die zu treffende Entscheidung ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Das nachfolgende Verhalten des Arztes ist nicht zu berücksichtigen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. März 2016 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 7.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Entziehung der Zulassung des Klägers als hausärztlich tätigem Internisten wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit.
Der 1953 geborene Kläger ist seit 1. Oktober 1993 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Vom 1. Oktober 2003 bis zum 31. Dezember 2005 ruhte die Zulassung mit einem vollen Versorgungsauftrag.
Die Beigeladene zu 1) beantragte unter dem 16. September 2014 beim Zulassungsausschuss die Entziehung der Zulassung des Klägers. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei seit dem Quartal I/06 nur in sehr geringem Umfang vertragsärztlich tätig gewesen. Zudem habe er seit dem Quartal II/11 keine Abrechnung mehr erstellt. Bereits im Mai 2014 habe sie den Kläger hierauf hingewiesen und in der Folgezeit an die Einreichung der angekündigten Abrechnungen erinnert.
Der Kläger führte hierzu mit Schreiben vom 4. Oktober 2014 aus, er habe seine Praxis vormittags von 8:00 - 12:00 Uhr, Dienstag/Donnerstag von 17:00 - 18:00 Uhr und nach telefonischer Vereinbarung und Voranmeldung geöffnet. Es müssten lokale und individuelle Besonderheiten berücksichtigt werden. Er sei zudem als Heimarzt tätig. Die Praxis liege in einer ländlichen Region (Rhön). Die Ortsgemeinde habe erfolglos die Ansiedelung weiterer Ärzte versucht. Er reichte u.a. eine Stellungnahme des Herrn D., Mitglied des Hessischen Landtags, vom 20. Oktober 2014, zur Verwaltungsakte, in der dieser sich für den Erhalt der Praxis aussprach.
Mit Beschluss vom 28. Oktober 2014 entzog der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen dem Kläger von Amts wegen die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit. Dieser übe seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr aus.
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger mit Schreiben vom 15. August 2015 am 17. August 2014 Widerspruch ein. Seit dem Quartal III/13 erstelle er regelmäßig Abrechnungen mit Tendenz zu höheren Fallzahlen. Er führe Hausbesuche durch. Er betreue umfangreich ein Altenheim. Eine Vorschrift über die Zahl der abzurechnenden Patienten sei ihm nicht bekannt. Seine Praxis sei in der Region unverzichtbar.
Die Beigeladene zu 1) führte mit Schreiben vom 26. Oktober 2014 aus, es sei keine vertragsärztliche Tätigkeit des Klägers ersichtlich, die einen wenigstens hälftigen Versorgungsauftrag rechtfertigen würde. Der Kläger habe entweder gar keine Abrechnungen eingereicht bzw. im Quartal III/14 10 Arztfälle, im Quartal IV/14 17 Arztfälle, im Quartal I/15 8 Arztfälle und im Quartal II/15 9 Arztfälle. Eine Tätigkeit im Ärztlichen Bereitschaftsdienst begründe keine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.
Mit Beschluss vom 11. November 2015, ausgefertigt am 7. Dezember 2015, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung verwies er auf die Feststellungen des Zulassungsausschusses und der Beigeladenen zu 1) im Schreiben vom 26. Oktober 2014. Damit stehe fest, dass der Kläger vertragsärztliche Tätigkeit in den letzten Jahren entweder nicht mehr oder in so geringem Umfang ausgeübt habe, dass eine vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr angenommen werden könne. In der mündlichen Verhandlung vor ihm habe der Kläger eingeräumt, in den letzten Jahren habe der Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit darin bestanden, einen gewerblichen Betrieb z...