Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Zulassungsentziehung. Nichtmehrausüben der vertragsärztlichen Tätigkeit. Behandlung von laufend weniger als 10% des Fachgruppenschnitts an Patienten
Leitsatz (amtlich)
Ein Nichtmehrausüben der vertragsärztlichen Tätigkeit liegt vor, wenn ein Hausarzt laufend weniger als 10% des Fachgruppendurchschnitts an Patienten behandelt (hier: seit dem Quartal I/06) (Anschluss an LSG Stuttgart vom 20.10.2010 - L 5 KA 2155/09 - juris; SG München vom 11.10.2011 - S 38 KA 1338/08 - juris). Ein Ruhen der Zulassung kommt dann auch für einen hälftigen Versorgungsauftrag nicht in Betracht.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Entziehung der Zulassung des Klägers als hausärztlich tätiger Internist wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit.
Der 1953 geb. und jetzt 62-jährige Kläger ist seit 01.10.1993 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Vom 01.10.2003 bis zum 31.12.2005 ruhte die Zulassung mit einem vollen Versorgungsauftrag.
Die Beigeladene zu 1) beantragte unter Datum vom 16.09.2014 beim Zulassungsausschuss die Entziehung der Zulassung des Klägers. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei seit dem Quartal I/06 nur in sehr geringem Umfang vertragsärztlich tätig gewesen. Zudem habe er seit dem Quartal II/11 keine Abrechnung mehr erstellt. Bereits im Mai 2014 habe sie den Kläger hierauf hingewiesen und in der Folgezeit an die Einreichung der angekündigten Abrechnungen erinnert.
Der Kläger führte hierzu unter Datum vom 04.10.2014 aus, er habe seine Praxis vormittags von 8:00 - 12:00 Uhr, Dienstag/Donnerstag von 17:00 - 18:00 Uhr und nach telefonischer Vereinbarung und Voranmeldung geöffnet. Es müssten lokale und individuelle Besonderheiten berücksichtigt werden. Er sei zudem als Heimarzt tätig. Die Praxis liege in einer ländlichen Region (A-Region). Die Ortsgemeinde habe erfolglos die Ansiedelung weiterer Ärzte versucht. Er reichte u.a. eine Stellungnahme des Herrn C., Mitglied des Hessischen Landtags, vom 20.10.2014, in der dieser sich für den Erhalt der Praxis aussprach, zur Verwaltungsakte.
Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen entzog mit Beschluss vom 28.10.2014 die Zulassung des Klägers zur vertragsärztlichen Tätigkeit von Amts wegen.
Hiergegen legte der Kläger am 17.08.2014 Widerspruch ein. Er trug vor, seit dem Quartal III/13 erstelle er regelmäßig Abrechnungen mit Tendenz zu höheren Fallzahlen. Er führe Hausbesuche durch. Er betreue umfangreich ein Altenheim. Eine Vorschrift über die Zahl der abzurechnenden Patienten sei ihm nicht bekannt. Die Praxis sei in der Region unverzichtbar.
Die Beigeladene zu 1) führte unter Datum vom 26.10.2014 aus, es sei keine vertragsärztliche Tätigkeit des Klägers ersichtlich, die einen, auch einen hälftigen Versorgungsauftrag rechtfertigen würde. Der Kläger habe keine Abrechnung eingereicht, dann im Quartal III/14 10 Arztfälle, IV/14 17 Arztfälle, I/15 8 Arztfälle und II/15 9 Arztfälle. Eine Tätigkeit im Ärztlichen Bereitschaftsdienst begründe keine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.
Der Beklagte wies mit Beschluss vom 11.11.2015, ausgefertigt am 07.12.2015, den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er auf die Feststellungen des Zulassungsausschusses und der Beigeladenen zu 1) im Schreiben vom 26.10.2014. Damit stehe fest, dass der Kläger vertragsärztliche Tätigkeit in den letzten Jahren entweder nicht mehr oder in so geringem Umfang ausgeübt habe, dass vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr angenommen werden könne. In der mündlichen Verhandlung vor ihm habe der Kläger eingeräumt, in den letzten Jahren habe der Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit darin bestanden, einen gewerblichen Betrieb zu führen. Diese gewerbliche Tätigkeit habe einen solchen Umfang angenommen, dass für eine weitere vertragsärztliche Tätigkeit kein bzw. sehr wenig Raum geblieben sei. Dies führe gem. § 95 Abs. 5 SGB V zu einem Verlust der vertragsärztlichen Zulassung.
Hiergegen hat der Kläger am 08.01.2016 die Klage erhoben. Er verweist auf die von der Beigeladenen zu 1) aufgeführten Arztfälle in den Quartalen III/14 bis II/15. Die Annahme des Beklagten, er habe in den letzten Jahren keine vertragsärztliche Tätigkeit mehr ausgeübt, sei zu keiner Zeit unstreitig gewesen. Er bestreite die geringen Abrechnungen seiner vertragsärztlichen Tätigkeit nicht. Allerdings beschränke sich seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht auf die abgerechneten Fälle. Er betreue und behandle Patienten einer Behinderteneinrichtung sowie des Seniorenheimes D. in D-Stadt. Er betreue und behandle insb. ältere, überwiegend multimorbide Patienten, die aufgrund haus- und fachärztlicher Verordnung eine Vielzahl von Medikamenten zeitgleich...