Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 15 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 23 Abs. 4 WEG; § 1004 Abs. 1 BGB, § 823 BGB, § 249 BGB; Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG; Art. 14 Abs. 1 GG
Kommentar
1. Verfügt eine Wohnanlage über einen Kabelanschluss, so gibt das Grundrecht auf Informationsfreiheit einem deutschen Wohnungseigentümer grundsätzlich nicht das Recht, ohne Zustimmung der übrigen Eigentümer an der Außenmauer eine Parabolantenne (Satellitenantenne) anzubringen. Dass sich der Wohnungseigentümer dem angelsächsischen Kulturkreis besonders zugezogen fühlt und bestimmte, nur für eine Satellitenanlage empfangbare englischsprachige Sender zur privaten Vermögensverwaltung heranzieht, ist kein Grund, von einer typisierenden Betrachtungsweise im Sinne der Rechtsprechung auch des Bundesverfassungsgerichts abzuweichen.
Der betreffende Eigentümer wurde in allen Instanzen zur Beseitigung der Satellitenschüssel und auch eines an der Außenfassade angebrachten Abluftgerätes sowie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verurteilt ( §§ 15 Abs. 3 WEG, 1004 Abs. 1 Satz 1 sowie § 823 Abs. 1 und § 249 BGB).
2. Das Bundesverfassungsgericht hat nach typisierender Betrachtungsweise ein überwiegendes Interesse des Hauseigentümers am Verbot von Parabolantennen dann gebilligt, wenn das Anwesen über eine Gemeinschaftssatelliten- Empfangsanlage oder einen Kabelanschluss verfügt (BVerfG, NJW 1993, 1253; 1994, 1148; 1995, 1666). Vorliegend verfügte das Anwesen über einen Kabelanschluss bis zum Hauseingang; dass eine Installation bis zu der im 2. OG gelegenen Wohnung auf eigene Kosten des Antragsgegners unzumutbar sei, ist weder behauptet noch ersichtlich.
3. Vorliegend wurde auch bestandskräftig beschlossen, dass die Anbringung einer Satellitenantenne in Planarversion nach vorgegebener Ausführung, montiert am Fenster der jeweiligen Wohnung zulässig sei, allerdings nur widerruflich und für den Fall, bis eine leistungsfähige gemeinsame Satellitenantenne angebracht werde. Es bestand also zusätzlich zum Kabel für den Antragsgegner ein Weg zur Informationsbeschaffung, selbst wenn die gestattete Planarversion weniger leisten sollte, als die vom Antragsgegner angebrachte Antenne. Mit der einschränkenden Beschlussfassung bezweckte die Gemeinschaft die Erhaltung des einheitlichen Erscheinungsbildes der Anlage und einen Ausschluss von Beschädigungen am Mauerwerk. Die Unversehrtheit des Gemeinschaftseigentums und die Einheitlichkeit des Erscheinungsbildes sind Gesichtspunkte, die zu Gunsten der Eigentümergemeinschaft in eine Interessen-Abwägung miteinbezogen werden dürften (h.R.M.).
4. Im entschiedenen Fall handelte es sich auch um einen deutschen Staatsangehörigen, also keine vom typischen Durchschnittsfall abweichende Interessenlage. Ob die ins Feld geführte gewinnbringende Vermögensverwaltung Teil der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit darstellt und damit dem Grundrecht nach Art. 12 Abs. 1 GG unterliegt oder aber ausschließlich dem Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung nach Art. 2 Abs. 1 GG zuzurechnen ist, kann offen bleiben. Auch diesen Rechten sind hier im Wohnungseigentumsrecht Grenzen gesetzt (keine Rechtsverletzung anderer Eigentümer; Verfassungskonformität ordnungsgemäßer Verwaltung, entsprechende Beschlussfassungen). Dieser Vorbehalt allgemeiner Gesetze gilt gleichermaßen für das Grundrecht nach Art. 5 Abs. 1 GG wie auch nach Art. 112 Abs. 2 der Bayer. Verfassung (vgl. BayObLG, NJW-RR 1992, 17).
5. Da zur Beseitigung der Abluftanlage Auflagen beschlossen wurden, die der Antragsgegner nicht fristgemäß erfüllte, wurde er auch nach Bestandskraft dieses Beschlusses zur Beseitigung und Wiederherstellung verpflichtet. Einwendungen hätten hier durch fristgemäße Anfechtung erfolgen müssen (h.M.); dies sei aus Gründen der Rechtssicherheit zu fordern. Dem Beseitigungsverlangen kann deshalb nicht mit Erfolg Jahre später der Einwand des Rechtsmissbrauchs ( § 242 BGB) entgegengehalten werden. Auch gibt es keine gegenseitige "Aufrechnung" mit baulichen Veränderungen durch andere Eigentümer (ebenfalls h.R.M.).
6. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert dieser Instanz von DM 6.000,-.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 30.11.2000, 2Z BR 92/00)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer