Leitsatz
Die aus § 1041 S. 1 und 2 BGB folgenden Erhaltungspflichten des Nießbrauchers werden durch die Vorschrift des § 1050 BGB nicht eingeschränkt.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB §§ 1041, 1050
Kommentar
Durch notariellen Vertrag vom 8.4.1971 übertrug der Eigentümer das Eigentum an einem Gewerbegrundstück an seine Tochter. Zugleich räumte der Eigentümer seiner Ehefrau ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem Grundstück ein. Hinsichtlich der Haftung für Veränderungen und Verschlechterungen des Grundstücks ist in dem notariellen Vertrag Folgendes geregelt:
"Abweichend von § 1050 BGB wird vereinbart, dass die Nießbraucherin auch die Veränderung und Verschlechterung des belasteten Grundbesitzes zu vertreten hat. Sie ist berechtigt, hieran sämtliche Reparaturen und sonstige bauliche Änderungen vorzunehmen und die steuerliche Absetzung für Abnutzung geltend zu machen."
Die Nießbraucherin hat in den Jahren 2001 bis 2005 ca. 71.000 EUR für Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen aufgewendet. Diese verlangt sie von der Grundstückseigentümerin ersetzt.
Die Klage hatte keinen Erfolg:
1. Als Anspruchsgrundlage kam vorliegend § 1049 BGB in Betracht. Danach kann der Nießbraucher "Verwendungen auf die Sache, zu denen er nicht verpflichtet ist", nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt verlangen. Nach der gesetzlichen Regelung in § 1041 BGB hat der Nießbraucher "für die Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu sorgen. Ausbesserungen und Erneuerungen obliegen ihm nur insoweit, als sie zu der gewöhnlichen Unterhaltung der Sache gehören". Zu den Erhaltungsmaßnahmen zählen die normalen Verschleißreparaturen, während größere Reparaturen, wie die Erneuerung eines Daches oder dergleichen, Aufgabe des Eigentümers sind (BGH, Urteil v. 6.6.2003, V ZR 392/02, NJW-RR 2003, 1290, 1292; v. 7.7.1993, IV ZR 90/92, NJW 1993, 3198, 3199; v. 13.7.2005, VIII ZR 311/04, NJW-RR 2005, 1321, 1322 = NZM 2005, 780).
2. Die gesetzliche Verteilung der Instandhaltungs- und Instandsetzungspflichten kann vertraglich (mit schuldrechtlicher Wirkung) abweichend von § 1041 BGB geregelt werden (Frank in: Staudinger, Vorbem. zu §§ 1030 BGB Rdn. 18). Vorliegend enthält der Vertrag lediglich eine von § 1050 BGB abweichende Vereinbarung. In § 1050 BGB ist bestimmt, dass der Nießbraucher "Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache, welche durch die ordnungsmäßige Ausübung des Nießbrauchs herbeigeführt werden", nicht zu vertreten hat. Zu dem Verhältnis des § 1050 BGB zu § 1041 BGB werden unterschiedliche Ansichten vertreten:
(1) Nach einer Meinung wird § 1041 BGB durch § 1050 BGB eingeschränkt. Danach trifft den Nießbraucher keine Reparaturpflicht, wenn die Abnutzung auf der ordnungsmäßigen Ausübung des Nießbrauchs beruht (OLG Karlsruhe, Urteil v. 28.6.2005, 17 U 201/04, Rpfleger 2005, 686, 688; Palandt/Bassenge, § 1050 BGB Rdn. 1).
(2) Nach anderer Auffassung wird § 1050 BGB durch § 1041 BGB eingeschränkt. Danach betrifft § 1050 BGB nur solche Abnutzungen, die der Nießbraucher nicht nach § 1041 BGB zu beseitigen hat (OLG Zweibrücken, Urteil v. 25.1.1984, 2 U 62/83, OLGZ 1984, 460, 461; Frank in: Staudinger (2002), § 1041 BGB Rdn. 2 und § 1050 Rdn. 2; Pohlmann in: MüKomm, § 1041 BGB Rdn. 3 und § 1050 BGB Rdn. 1 ff.).
3. Der BGH folgt der Ansicht unter (2). Ist in einem Vertrag über die Bestellung eines Nießbrauchs – wie vorliegend – bestimmt, dass der Nießbraucher jede Veränderung oder Verschlechterung des Grundstücks zu vertreten hat, so folgt hieraus für die in § 1041 BGB geregelte Erhaltungspflicht, dass auch die außergewöhnlichen Unterhaltungsmaßnahmen dem Nießbraucher zur Last fallen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 23.01.2009, V ZR 197/07BGH, Urteil v. 23.1.2009, V ZR 197/07, NJW 2009, 1810