Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 16 Abs. 2 WEG, § 28 Abs. 2 und Abs. 5 WEG
Kommentar
Nach Meinung des 1 b-Senats des BayObLG (neuerdings auch bestätigt vom 2. Zivilsenat, BayObLG, Entscheidung v. 13. 6. 1990, Az.: 2 Z 62/90) haftet der ausgeschiedene Wohnungseigentümer den anderen Eigentümern weiter für Wohngeldvorschüsse, welche während des Zeitraumes, als er Wohnungseigentümer war, fällig geworden sind, soweit sich die beschlossene Vorschusszahlung nicht aufgrund einer nach seinem Ausscheiden beschlossenen Jahresabrechnung als überhöht erweist.
Ein Wirtschaftsplan sei insoweit nicht durch die Jahresabrechnung "überholt", da der aus der Jahresabrechnung abgeleitete Zahlungsanspruch kein völlig anderer Anspruch als der Vorauszahlungsanspruch aufgrund des Wirtschaftsplans sei (BayObLG, NJW-RR 88, 1170/1171); die Ansprüche stünden im Verhältnis des vorläufigen zum endgültigen festgestellten; der Wirtschaftsplan bleibe deshalb weiterhin Rechtsgrundlage, diese Rückstände gegen den ausgeschiedenen Eigentümer geltend zu machen.
Nach der Beschlussfassung über die Abrechnung könne zwar die Wohngeldforderung grundsätzlich nicht mehr allein auf den Wirtschaftsplan gestützt werden, da insoweit aufgrund des Wirtschaftsplans zu leistende Vorauszahlungen der Höhe nach begrenzt seien auf den Betrag, der sich aus der Jahresabrechnung als endgültige Wohngeldschuld ergebe. Bezug genommen werde hier auf die Meinungen Palandt-Bassenge, 49. Aufl., § 16 A.5 c; Weitnauer, § 28 Rd. 2 e, f; Sauren, DWE 89, 43; Hauger, DWE 89, 48/49, offengelassen bei BayObLGZ 1989, 351/354. Eigentümer könnten im Innenverhältnis erst durch Eigentümerbeschluss zur Zahlung von Wohngeld verpflichtet werden; daraus folge zwingend, dass ein solcher Beschluss nur für die zur Beschlussfassung berufenen Eigentümer, nicht aber für ihre Rechtsvorgänger Verbindlichkeit begründen könne (andernfalls unzulässiger Gesamtakt zulasten Dritter, BGH, NJW 1988, 1910).
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 19.04.1990, BReg 1 b Z 19/89)
Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Die Entscheidung befasst sich mit einem derzeit höchst umstrittenen Abrechnungsproblem der richtigen Schuldnerschaft (Passivlegitimation) bei Eigentumswechsel unter dem Geschäftsjahr vor beschlossener und genehmigter Jahresabrechnung. Leider bleiben in der Entscheidung einige wichtige Fragen offen, zumal der Senat sich nicht mit einer sehr stark vertretenen Gegenmeinung auseinandergesetzt hat (vgl. z. B. OLG Stuttgart v. 18. 7. 1988, OLG Köln v. 17. 11. 1988 und OLG Karlsruhe, Entscheidung v. 10. 1. 1990, Az.: 11 W 167/89). Auch die im Ergebnis gleichlautende Entscheidung des OLG Düsseldorf, Entscheidung v. 10. 10. 1988, Az.: 3 Wx 397/88wurde mit keinem Wort angesprochen.
Soll nun durch diese Meinung eine bereits höchstrichterlich abgelehnte Gesamtschuldhaftung (zumindest hinsichtlich einer Wohngeldteilschuld) zwischen Erwerber und Veräußerer nach 16 Abs. 2 WEG analog wieder zum Leben erweckt werden? Besteht nicht doch u. U. die Gefahr "doppelter" Rechtshängigkeit bei Antragstellung gegen beide, d. h. den Veräußerer und den Rechtsnachfolger? Sind wirklich nach Abrechnungsgenehmigung nicht bezahlte Vorauszahlungen gemäß Wirtschaftsplan "Rückstände", was wohl vom 2. Zivilsenat in einer Entscheidung vor noch nicht allzu langer Zeit m. E. zu Recht verneint wurde (bezogen auf das alte, nunmehr abberechnete Geschäftsjahr)? Warum wurde bei Ausscheiden des Voreigentümers laut Sachverhalt im Mai 1986 und amtsrichterlicher Erstentscheidung im Dezember 1988 (das Antragstellungsdatum blieb unerwähnt) kein Wort über die Zulässigkeit des Rechtswegs verloren (gegen ausgeschiedene Eigentümer sind Rückstände bekanntlich nach h. M. vor dem ordentlichen Zivilgericht einzuklagen)? Wäre zu diesem Problem nicht eine neuerliche Vorlage zum BGH angezeigt gewesen (im Anschluss an die BGH-Entscheidung in NJW 88, 1910)?
All diese Fragen bedürfen m. E. zur häufigen Situation des Eigentumswechsels wärend des Geschäftsjahres vor Abrechnungsgenehmigung noch baldiger endgültiger Klärung, da für Eigentümer und Verwalter in Gläubigerstellung Rechtsklarheit bestehen muss, welcher Beteiligte für welche offenen Wohngeldschuldbeträge aufgrund welcher Anspruchsgrundlage risikolos vor dem richtigen Gerichtsstand verklagt werden kann.