Dr. Anton Wiedemann, Giulia Novelli
a) Allgemeines
Rz. 230
Die italienische Rechtsordnung unterscheidet zwischen der einfachen Annahme (accettazione pura e semplice) und der Annahme unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung (accettazione con beneficio di inventario) als zwei grundlegend verschiedenen Rechtsgeschäften. Während Letztere unter der zusätzlichen Voraussetzung der rechtzeitigen Inventarerrichtung zu einer Trennung von eigenem und ererbtem Vermögen und zu einer auf das Nachlassvermögen beschränkten Haftung bei Vorzug der Nachlassgläubiger gegenüber Privatgläubigern des Erben (Art. 490 S. 2 Nr. 3 c.c.) führt, hat die einfache Annahme die Verschmelzung des eigenen und des ererbten Vermögens und die unbeschränkte Haftung mit dem Gesamtvermögen für Erblasser- und Erbfallschulden einschließlich Vermächtnissen zur Folge. Ist der Annehmende pflichtteilsberechtigt, so verliert er nach Maßgabe von Art. 564 c.c. das Recht auf Herabsetzung gewisser pflichtteilsbeeinträchtigender Zuwendungen.
Rz. 231
Beide Annahmen setzen grundsätzlich eine Willenserklärung voraus. Eine Ausnahme gilt gem. Art. 485 c.c. für die Fälle der gesetzlichen Fiktion der Annahme (siehe Rdn 233 f.). Diese wird auch als "dritte" Form der Annahme angesehen.
b) Annahme unter Vorbehalt der Inventarerrichtung
Rz. 232
Die Annahme unter Vorbehalt der Inventarerrichtung (accettazione con beneficio di inventario) bedarf einer Erklärung vor einem Notar oder dem cancelliere del Tribunale, dem Urkundsbeamten des Gerichts, in dessen Bezirk der Erbfall eingetreten ist (Art. 484 Abs. 1 c.c.). Gemäß Art. 484 Abs. 1 c.c. ist sie in das beim Tribunale geführte Erbschaftsregister, und, soweit sich Immobilien oder Immobiliarrechte im Nachlass befinden, vom cancelliere auch von Amts wegen in das Immobilienregister des gleichen Ortes einzutragen (Art. 484 Abs. 2 c.c.). Damit die Wirkungen eintreten, muss das Inventar nach den Bestimmungen der Art. 769 ff. c.p.c. vor oder nach der Annahme errichtet werden (Art. 484 Abs. 3 c.c.). Die Annahme unter Vorbehalt durch einen Bedachten wirkt auch für die anderen (Art. 510 c.c.), es sei denn, diese erklären ausdrücklich die vorbehaltslose Annahme oder haben ihre Haftungsbeschränkung verwirkt.
Rz. 233
Als unbeschränkter Erbe gilt kraft gesetzlicher Fiktion
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nach Art. 485 c.c., wer als zum Erben Berufener im Besitz von nicht ganz bedeutungslosen Nachlassgegenständen ist und nicht binnen drei Monaten nach Eröffnung der Erbschaft ein Inventar errichtet oder mit dessen Errichtung zumindest anfängt (hier kann eine einzige, im Regelfall höchstens dreimonatige Verlängerung gewährt werden); |
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nach Art. 487 Abs. 2 c.c., wer als nichtbesitzender Erbe trotz Annahme unter Vorbehalt das Inventar nicht binnen drei Monaten errichtet; |
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nach Art. 485 Abs. 3 und 487 Abs. 3 c.c., wer als besitzender und als nichtbesitzender zum Erbe Berufener nicht innerhalb von vierzig Tagen nach erfolgter Inventarerrichtung die Annahme unter Vorbehalt erklärt; und |
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nach Art. 488 c.c., wer innerhalb einer ihm nach Art. 481 c.c. gesetzten Annahmefrist zwar die Annahme unter Vorbehalt erklärt, aber kein Inventar errichtet; |
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nach Art. 527 c.c., wer als berufener Erbe Nachlassgegenstände unterschlägt oder versteckt. Dieser verwirkt das Recht zur Ausschlagung. |
Rz. 234
Die h.L. schränkt den Anwendungsbereich von Art. 485 c.c. insoweit ein, als Voraussetzung für dessen Anwendbarkeit und vor allem für den Fristlauf ist, dass der Berufene weiß, dass er zum Erben berufen ist und dass er Kenntnis von der Nachlasszugehörigkeit der von ihm besessenen Gegenstände hat. Diese Unkenntnis verhindert zwar den Eintritt der gesetzlichen Fiktion, nicht aber den Lauf der zehnjährigen Verjährungsfrist. Der Vorbehalt bei der Annahme erlischt, wenn der Erbe in der gleichen Form wie bei der Annahme unter Vorbehalt darauf verzichtet und wenn bestimmte Verpflichtungen nicht eingehalten werden.