Dr. Anton Wiedemann, Dr. Tereza Pertot
Rz. 300
Eine Volladoption setzt auf Seiten des Anzunehmenden voraus, dass er minderjährig ist, er sich im Zustand der Verlassenschaft befindet, also ohne moralischen und finanziellen Beistand der Eltern oder unterhaltspflichtiger Verwandten (Art. 8 Abs. 1 l. adoz.) ist, und ein Zeugnis über seine Adoptionsfähigkeit vorliegt. Der Minderjährige ist anzuhören; ist er älter als 14 Jahre, muss er seine Zustimmung erteilen (Art. 7 Abs. 2 und 3 l. adoz.). Durch das Gesetz vom 19.10.2015, Nr. 173 wurde zudem die Möglichkeit zugunsten der Pflegefamilie vorgesehen, das Kind nach einer längeren Probezeit (affidamento preadottivo) anzunehmen (Art. 25 Abs. 1 bis l. adoz.).
Rz. 301
Die Volladoption ist grundsätzlich nur durch Ehegatten gemeinsam möglich. Die Ehe muss mindestens drei Jahre bestehen und die Ehegatten dürfen nicht faktisch getrennt leben (Art. 6 Abs. 1 l. adoz.). Eine Ausnahme von der Dreijahresfrist besteht, wenn die Annehmenden bereits vor der Ehe in einer festen und dauerhaften Beziehung lebten (Art. 6 Abs. 4 l. adoz.). Die Volladoption durch einen Ehegatten allein ist nur möglich, wenn während der Probezeit (affidamento preadottivo) der andere Ehegatte verstorben ist, geschäftsunfähig wird oder eine (faktische) Trennung erfolgt. Die Annehmenden müssen tatsächlich in der Lage sein, den anzunehmenden Minderjährigen zu erziehen und zu unterhalten (Art. 6 Abs. 2 l. adoz.). Sie müssen beide mindestens 18 Jahre alt sein und dürfen nicht mehr als 45 Jahre älter als der Anzunehmende sein (Art. 6 Abs. 2 l. adoz.). Besondere Ausnahmen sind vorgesehen, wenn die Altersobergrenze nur von einem Ehegatten um nicht mehr als zehn Jahre überschritten wird, wenn die Ehegatten schon andere (eheliche, uneheliche oder adoptierte) Kinder haben, von denen mindestens eines noch minderjährig ist, und wenn das anzunehmende Kind ein Geschwisterteil eines bereits adoptierten Kindes ist (Art. 6 Abs. 5 l. adoz.).
Rz. 302
Was das Verfahren angeht, ist zunächst meist auf Antrag öffentlicher Behörden oder auch von Amts wegen vom Minderjährigengericht nach Anhörung der Beteiligten per Beschluss gem. Art. 8 ff. l. adoz. die Adoptionsfähigkeit zu erklären und ein Vormund zu ernennen, sofern ein solcher nicht schon früher benannt wurde. Anschließend ordnet das Gericht auf Antrag adoptionsbereiter Eltern an, dass ihnen das anzunehmende Kind in einer einjährigen Probezeit (affidamento preadottivo) anvertraut wird. Diese Maßnahmen sind jeweils widerruflich (Art. 21 und 23 l. adoz.).
Rz. 303
Das Adoptionsfähigkeitszeugnis bestätigt das Vorliegen des stato di abbandono, also die Pflege- und Fürsorgebedürftigkeit des Kindes; mit seiner Erteilung wird eine etwa bestehende elterliche Sorge der leiblichen Eltern unterbrochen. Das Gericht kann darüber hinaus die elterliche Sorge auch definitiv beenden (Art. 330 c.c.). Die Ausübung der elterlichen Sorge wird in beiden Fällen einem Vormund übertragen. Soweit Eltern vorhanden sind, wird das Zeugnis im streitigen Verfahren, ansonsten im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit erteilt. Zuständig ist das Minderjährigengericht (Tribunale per i minorenni). Dringende Maßnahmen können vom Vorsitzenden getroffen werden; die Kammer hat darüber binnen 30 Tagen zu entscheiden.
Rz. 304
Nach Ablauf der Probezeit hat das Gericht zu prüfen, ob die Adoption dem Kindeswohl entspricht, und entscheidet durch Beschluss/Urteil über die Adoption. Die Entscheidung wird ins Melderegister eingetragen.
Rz. 305
Als Hauptfolge gibt die Volladoption dem angenommenen Kind die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes. Es erhält den Familiennamen der Annehmenden. Alle Verwandtschafts- und Rechtsbeziehungen des angenommenen Kindes zu seinen bisherigen Verwandten erlöschen mit Ausnahme der Eheschließungsverbote vollständig (z.B. im Unterhalts- und Erbrecht) (Art. 27 l. adoz). Eine Aufhebung der rechtskräftig ausgesprochenen Volladoption ist ausgeschlossen.