Rz. 190

Das zweite Verfahren ist die Trennung/Scheidung vor dem Bürgermeister (als dem obersten Standesbeamten – ufficiale dello stato civile). Das Verfahren stellt den einfachsten und günstigsten Weg zur Trennung oder Scheidung dar, wenn auch unter strengen Voraussetzungen. Bei diesem Verfahren haben die Ehegatten, allerdings nur, wenn keine minderjährigen Kinder und keine Kinder, die zwar volljährig, aber wirtschaftlich nicht unabhängig sind oder eine schwere Behinderung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 104/1992 haben, vorhanden sind, die Möglichkeit, vor einem Standesbeamten eine einvernehmliche Erklärung zur Trennung oder zur Auflösung der Ehe abzugeben (Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 162/2014). Zuständig ist der Bürgermeister der Gemeinde, in der zumindest einer der Ehegatten seinen Wohnsitz hat oder in der ihre Eheschließung registriert oder transkribiert worden ist (Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 162/2014).

Welche Informationen die Ehegatten dem Standesamt vorzulegen haben, ergibt sich aus den im Ministerialdekret vom 9.12.2014 festgelegten Formularen.

 

Rz. 191

Die Ehegatten haben die Erklärung, sich trennen oder scheiden zu wollen, persönlich abzugeben. Die Zuziehung eines Anwalts ist hierbei nicht zwingend (Art. 12 Abs. 3 S. 1–2 des Gesetzes Nr. 162/2014). Im Rahmen dieses Verfahrens können ohne Einschaltung der Staatsanwaltschaft auch Scheidungsfolgen geregelt werden; allerdings darf keine Vermögensübertragung erfolgen (Art. 12 Abs. 3 S. 3 des Gesetzes Nr. 162/2014). Auch bereits geltende gerichtliche Trennungs- oder Scheidungsregelungen können abgeändert werden.

Die Erklärungen werden durch den Standesbeamten aufgenommen und von den Parteien unterzeichnet. Die Parteien können durch sog. Autozertifizierungen einige Voraussetzungen bzw. Beweismittel belegen. Insbesondere haben sie zu erklären, ob und bei welchem Gericht ein Trennungs-/Scheidungsverfahren bereits anhängig ist.

 

Rz. 192

Die Einbeziehung von Vermögensübertragungen in die Vereinbarung ist nicht möglich. Unklar ist, wann eine unzulässige Vermögensübertragung vorliegt. Das Innenministerium hat in dem Rundschreiben Nr. 19/2014 klargestellt, dass hierunter jede Klausel vermögensrechtlicher Natur, wie z.B. auch die Nutzung der Ehewohnung, Unterhaltsvereinbarungen oder die Einräumung anderer wirtschaftlicher Vorteile, fällt. Damit ist auch eine Vermögensauseinandersetzung ausgeschlossen.

 

Rz. 193

Ist die Trennung oder Scheidung vor dem Standesamt erklärt worden, bedarf es nach Ablauf einer Frist von mindestens 30 Tagen einer nochmaligen Bestätigung vor dem Standesamt, zu welcher der Standesbeamte die Parteien vorlädt. Innerhalb dieser Frist hat der Standesbeamte eine Kontrolle der abgegebenen Erklärungen durchzuführen.

Die Ehegatten haben zu dem festgesetzten Termin persönlich zu erscheinen und die Vereinbarung nach der Überlegungsfrist (diritto di ripensamento) zu bestätigen. Werden die Erklärungen nicht bestätigt oder erscheinen die Ehegatten nicht, werden die Trennungs- bzw. Scheidungserklärungen unwirksam (Art. 12 Abs. 3 S. 4 des Gesetzes Nr. 162/2014). Wünschen die Ehegatten vor der Bestätigung wesentliche Änderungen, bedarf es einer nochmaligen 30-tägigen Überlegungsfrist mit (erneuter) Bestätigung.

 

Rz. 194

Der Standesbeamte hat eine "Kontrolle" durchzuführen. Neben der formalen Durchsicht der persönlichen Daten/Angaben der Ehegatten sind das Fehlen von minderjährigen Kindern, schwerbehinderten Kindern oder die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Kinder, wobei hierfür die sog. Autozertifizierung der Eheleute genügt, und die Voraussetzungen der Scheidung (z.B. ein rechtskräftiges Trennungsurteil oder eine gerichtlich genehmigte Trennung – separazione omologata) zu prüfen. Auch wenn nicht ausdrücklich vorgesehen, ist ein Protokoll (verbale) über das Verfahren zu erstellen. Unklar ist, ob und inwiefern der Standesbeamte den "Abschluss" des Verfahrens verweigern kann, welche Rechtsmittel den Ehegatten in diesem Fall zustehen und ob Ehegatten (aufgrund der mehrfachen Zuständigkeit) einen anderen Standesbeamten aufsuchen können, falls der erste den "Abschluss" des Verfahrens verweigert. Letzteres könnte durch eine Registrierung jeder Verfahrenseinleitung verhindert werden.

 

Rz. 195

Die Vereinbarung ist unmittelbar nach der Entgegennahme der Erklärungen von den Parteien und dem Standesbeamten zu unterschreiben. Nach der Unterschrift des Standesbeamten ist keine weitere Änderung möglich (Art. 12 Abs. 6 Regol. St. civ.). Die Wirkungen für die Ehegatten folgen unmittelbar aus der Vereinbarung. Die Vereinbarung tritt an die Stelle der gerichtlichen Entscheidung.

Wirkungseintritt nach Art. 12 Abs. 4 des Gesetzes Nr. 162/2014 ist der Zeitpunkt der Beurkundung. Dieses Datum und nicht jenes der Bestätigung ist im Register einzutragen. Das betrifft sowohl die Statusfrage als auch die Folgen (wie z.B. den Beginn der Trennungsfrist im Hinblick auf die Scheidung).

Die Beurkundung hat keine konstitutive Wirkung. Sie bestätigt auch nicht die Gültigkeit der V...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge