Rz. 4
Die Haftungsprivilegierung gilt zunächst für die Beschäftigen des Betriebs i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1. Daneben können auch Leiharbeiter und Beschäftigte im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften und "Wie-Arbeitnehmer" i. S. d. § 2 Abs. 2 Satz 1 (vgl. Komm. zu § 104) privilegierte Schädiger sein. Die Vorgängervorschrift beschränkte den privilegierten Kreis der Schädiger auf "Betriebsangehörige". Mit der Neufassung in § 105 verwendet der Gesetzgeber eine neutrale Formulierung in dem er alle im Betrieb tätigen "Personen" erfasst. Mit diesem weiter gezogenen Kreis können auch Personen privilegiert sein, die nicht zum Betrieb gehören, aber den Versicherungsfall bei einer betrieblichen Tätigkeit verursacht haben (Hollo, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 105 Rz. 11, Stand: 13.7.2015). Die differenzierte Betrachtung bezüglich der Eingliederung in den Betrieb, je nach dem, ob es um den Schädiger oder um den Geschädigten ging, ist damit entfallen (Lauterbach/Dahm, SGB VII, § 105 Rz. 8). Die Beurteilung bezüglich des Schädigers folgt jetzt den gleichen Grundsätzen wie beim Geschädigten (Bereiter-Hahn/Mehrtes, SGB VII, § 105 Rz. 3.6). Jeder, den als Geschädigten (vgl. Rz. 9 ff.) das Haftungsprivileg treffen kann, kann grundsätzlich also auch privilegierter Schädiger sein, wenn seine schädigende Tätigkeit eine betriebliche war. Das Erfordernis der betriebsbezogenen Tätigkeit zeigt, dass auf das Merkmal der Eingliederung im Rahmen von § 105 nicht gänzlich verzichtet werden kann. Der Besucher, Nutzer oder Kunde ist nicht haftungsprivilegiert, weil seinem Handeln grundsätzlich die Betriebsbezogenheit fehlt (Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 105 Rz. 3a).
Rz. 5
Damit kommt dem Merkmal "durch eine betriebliche Tätigkeit" die entscheidende Bedeutung zu. Es bezieht sich auf den Schädiger. Eine Tätigkeit ist betrieblich, wenn sie unmittelbar mit Betriebszwecken zusammenhängt, den Betriebszwecken zu dienen bestimmt ist bzw. mit dem Betrieb des Geschädigten in einem engen Zusammenhang steht (Hollo, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 105 Rz. 15, Stand: 13.7.2015). Dazu gehören zunächst die Tätigkeiten eines Arbeitnehmers im Rahmen seines Arbeitsvertrags. Aber auch betriebsfremde Personen können eine betriebliche Tätigkeit verrichten, auch ohne dass sie ihnen direkt übertragen war. Ist das Abladen der Ware Aufgabe des Empfängerbetriebs, hilft der (betriebsfremde) Fahrer jedoch beim Abladen, so ist diese Tätigkeit dem Empfängerbetrieb nützlich und damit eine betriebliche Tätigkeit. Betriebliche Tätigkeit ist weit auszulegen (BGH, SozVers 1994 S. 22) und umfasst auch solche Handlungen, die der Schädiger – auf seine Sichtweise kommt es an – als betriebsnützlich ansehen darf. Deshalb kommt es auf die Qualität der Handlung ebenso wenig an (Lauterbach/Dahm, SGB VII, § 105 Rz. 11) wie darauf, ob der Schädiger grob fahrlässig oder gar leichtsinnig handelte (Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 105 Rz. 6). Unerheblich ist auch, ob der Schädiger selbst versichert ist oder nicht. So kann der mitarbeitende Ehegatte oder Lebenspartner privilegierter Schädiger sein, ebenso wie nach § 4 versicherungsfreie Personen (Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 105 Rz. 3). Zu den betrieblichen Tätigkeiten gehören auch Geschäftsreisen, betriebliche Bildungsmaßnahmen, Betriebssport und Gemeinschaftsveranstaltungen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 105 Rz. 3.7; beachte aber die oft nicht einfachen Abgrenzungsfragen zum Vorliegen von Betriebssport in der Komm. zu § 8).
Rz. 6
Das Haftungsprivileg hört dort auf, wo der Schädiger betriebsbezogenes Handeln verlässt. Das ist dann der Fall, wenn die schädigende Handlung von ihrer Anlage und der Intention des Schädigers nicht auf die Förderung des Betriebsinteresses gerichtet ist (Hauck/Nehls, SGB VII, § 105 Rz. 9), die Schädigung also nur gelegentlich bei der betrieblichen Tätigkeit geschieht und ihr nicht dient, z. B. Spielerei, Neckerei oder Schlägerei (BGH, Urteil v. 30.6.1998, VI ZR 286/97). Die bloße Nutzung einer Betriebsstätte oder einer betrieblichen Einrichtung, etwa durch Besucher des Unternehmens, durch beruflich Lernende, Kinder in Kindertagesstätten oder Schüler und Studenten begründet keine betriebsdienliche Tätigkeit. Jedoch sind hier die Regelungen in § 106 Abs. 1 Nr. 1 und 2 zu prüfen (Ricke, in: KassKomm. SGB VII; § 105 Rz. 3a).
Rz. 7
Durch die betriebliche Tätigkeit des Schädigers muss beim Geschädigten ein Versicherungsfall i. S. d. § 7 ausgelöst worden sein. Diese Grundvoraussetzung entspricht dem System der Haftungsablösung durch die gesetzliche Unfallversicherung. Nur wenn solche Ansprüche entstehen, kann die Haftung des Schädigers durch die Ablösung begrenzt werden. Hier ist allein die Person des Geschädigten maßgeblich. Ob auch für den Schädiger ein Versicherungsfall gegeben ist, ist unerheblich.