Rz. 13
Abs. 2 Satz 1 nimmt auch die nicht versicherten Unternehmer mit in den Kreis der Geschädigten, die sich das Haftungsprivileg eines Schädigers desselben Betriebes entgegenhalten lassen müssen. Aus der Sicht des Schädigers soll es nicht vom Zufall abhängen, ob das Haftungsprivileg greift, je nach dem, ob der Unternehmer kraft Gesetzes oder Kraft Satzung versichert ist oder nicht (Hollo, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 105 Rz. 25, Stand: 13.7.2015). Die entsprechende Anwendung des Abs. 1 für nichtversicherte Unternehmer setzt voraus, dass alle übrigen Voraussetzungen wie in Abs. 1 gegeben sein müssen und auch der Haftungsausschluss nicht ausgeschlossen ist (Wegeunfall und vorsätzliches Handeln, vgl. Komm. zu § 104). Wie bei den versicherungsfreien Personen aus Abs. 1 Satz 2 muss grundsätzlich auch ein Versicherungsfall vorliegen, der nur deshalb keiner ist, weil die geschädigte Person nicht versichert ist.
Rz. 14
Ohne die Regelung in Satz 2 würde die Haftungsprivilegierung gegenüber unversicherten Unternehmern auf durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken stoßen (zum Meinungsstreit Hauck/Krasney, SGB VII, § 105 Rz. 18). Ihm wird nämlich der Schädiger als Schuldner genommen, ohne dass diese Enthaftung durch Leistungen der Unfallversicherung ersetzt würde. Deshalb bestimmt Satz 2, dass für den Fall der Haftungsprivilegierung gegenüber dem unversicherten Unternehmer dieser wie ein Versicherter behandelt wird, also entsprechende Leistungen aus der Unfallversicherung erhält. Diese Leistungsgewährung ist für die gesetzliche Unfallversicherung atypisch und ist deshalb mit einigen Sonderregeln versehen worden. Die Voraussetzungen im Einzelnen (vgl. auch Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 105 Rz. 15.1):
- Es liegt ein Quasiversicherungsfall des unversicherten Unternehmers vor. Alle Voraussetzungen müssen gegeben sein, nur die Versicherteneigenschaft fehlt.
- Der unversicherte Unternehmer muss grundsätzlich einen zivilrechtlichen Anspruch gegen den Schädiger haben. Es besteht kein Anspruch auf Leistungen aus der Unfallversicherung, wenn nicht auch grundsätzlich ein Anspruch gegen den Schädiger besteht (BSG, Urteil v. 24.6.2003, B 2 U 39/02 R). Dabei sind die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zur schadensgeneigten Arbeit ebenso zu berücksichtigen, wie ein ggf. bestehendes überwiegendes Mitverschulden des geschädigten Unternehmers sowie gesetzliche oder vertragliche Haftungsausschlüsse.
- Die Haftung des Schädigers ist ausgeschlossen, weil kein Fall des sog. Ausschlusses des Haftungsausschlusses vorliegt (kein Wegeunfall, keine vorsätzliche Handlung, vgl. Komm. zu § 104).
Rz. 15
Sind alle diese Voraussetzungen in der Person des Geschädigten gegeben, dann haben durch die Gleichsetzung des versicherten mit dem unversicherten Unternehmer auch dessen Angehörige und Hinterbliebene entsprechende Ansprüche aus der Unfallversicherung (Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 105 Rz. 18).
Rz. 16
Satz 3 sieht nur bei der Berechnung von Geldleistungen, die nach dem Jahresarbeitsverdienst gewährt werden, Einschränkungen vor. Andere Geldleistungen werden ohne Einschränkungen wie bei einem Versicherten gewährt. Ob der unversicherte Unternehmer auch Anspruch auf Dienst- und Sachleistungen hat, ist in der Kommentarliteratur nicht unumstritten (Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 105 Rz. 15; Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 105 Rz. 14; Lauterbach/Dahm, SGB VII, § 105 Rz. 33). Nach dem Gesetzeswortlaut ist eine dahingehende Einschränkung des Anspruchs kaum herzuleiten (so auch Hollo, in: juris-PK-SGB VII, § 105 Rz. 36). Eine Besserstellung im Vergleich zu den Versicherten ist nicht erkennbar.
Rz. 17
Geldleistungen bestimmen sich nach Satz 3 nach einem fiktiven Jahresarbeitsverdienst, nämlich nach dem Mindestjahresarbeitsverdienst. Satz 4 schränkt die Geldleistung zusätzlich ein, weil der nicht versicherte Unternehmer durch die Leistung der Unfallversicherung nicht besser stehen soll, als bei seinen verloren gegangenen zivilrechtlichen Ansprüchen (ebenso Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 105 Rz. 16; Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 105 Rz. 10; Lauterbach/Dahm, SGB VII, § 105 Rz. 29; krit. Grüner, in: LPK-SGB VII, § 105 Rz. 4). Geldleistungen dürfen die Höhe eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches nicht überschreiten. Es muss also eine fiktive Berechnung der zivilrechtlichen Ansprüche vorgenommen werden. Hierbei sind auch der Höhe nach ein Mitverschulden (Schmitt, SGB VII, § 105 Rz. 18; Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 105 Rz. 16) des geschädigten Unternehmers oder Haftungsminderungen des Schädigers in vollem Umfang zu berücksichtigen. Atypisch als sonst in der Unfallversicherung bedarf es demnach eines konkreten Schadens, der auch konkret berechnet werden muss. Allerdings gehört zu dem fiktiven zivilrechtlichen Anspruch auch der Schmerzensgeldanspruch des geschädigten Unternehmers (Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 105 Rz. 16).