Rz. 6
Gemäß § 113 Satz 1 gelten die dort genannten Vorschriften des BGB entsprechend. Dem entnimmt die Rechtsprechung des BGH (Urteil v. 25.7.2017, VI ZR 433/16), dass für den Verjährungsbeginn allein die bindende Leistungspflichtfeststellung des Unfallversicherungsträgers genügt. Der BGH hat die in der Kommentarliteratur sowie vom OLG Brandenburg (Urteil v. 9.12.2014, 3 U 48/13) vertretene Auffassung, wonach eine Kumulation von Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis und Feststellung der Leistungspflicht erforderlich sei sowie die weitere in der Literatur vertretene Auffassung, wonach eine Kumulation von Anspruchsentstehung, Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis und bindender Feststellung der Leistungspflicht erforderlich sei, für nicht überzeugend erachtet. Ausgehend vom Wortlaut des § 113 Satz 1, wonach die genannten Vorschriften des BGB (nur) entsprechend anzuwenden sind, nämlich mit der Maßgabe, dass die Frist von dem Tag an gerechnet wird, an dem die Leistungspflicht für den Unfallversicherungsträger bindend festgestellt oder ein entsprechendes Urteil rechtskräftig geworden ist, müsse zugrunde gelegt werden, dass § 113 eine abschließende Regelung zum Fristbeginn enthält. Dafür spreche auch die Entstehungsgeschichte. Ab der bindenden Feststellung der Leistungspflicht hat stets eine taggenaue Berechnung der Verjährungsfrist – unabhängig von der Kenntnis oder grobfahrlässigen Unkenntnis des Gläubigers im Sinne von § 199 Abs. 1 BGB zu erfolgen (BGH, a. a. O.). Die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 Abs. 1 BGB, die sog. Ultimoregel beginnt nicht mit Ablauf des Jahres, wie es § 199 Abs. 1 BGB zu entnehmen wäre. Auch insoweit enthält § 113 Satz 1 die vorrangige Regelung.
Fallkonstellation 1:
Am 6.3.2018 erleidet der Versicherte einen Arbeitsunfall. Mit Bescheid vom 17.2.2019 erkennt die zuständige Berufsgenossenschaft den Arbeitsunfall an. Der Bescheid wird einen Monat nach Zustellung am 20.3.2019 bindend. Die 3-jährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) beginnt am 20.3.2019.
Fallkonstellation 2:
Am 6.3.2018 erleidet der Versicherte einen Arbeitsunfall. Mit Bescheid vom 17.2.2019, zugestellt am 20.3.2019, erkennt die zuständige Berufsgenossenschaft den Arbeitsunfall an, lehnt jedoch mangels rentenberechtigender Minderung der Erwerbsfähigkeit die Zahlung einer Rente ab. Hiergegen erhebt der Versicherte fristgemäß Widerspruch. Diesen weist die Berufsgenossenschaft mit Widerspruchsbescheid vom 1.11.2020 zurück. Einen Monat nach Zustellung wird der Widerspruchsbescheid bestandskräftig. Ob die Verjährung auch hier am 20.3.2019 beginnt, weil die Bindungswirkung für den Versicherungsträger eintritt, oder ob es auf den Eintritt der Bestandskraft des Widerspruchsbescheides abzustellen ist, hat der BGH offen gelassen.
Fallkonstellation 3:
Am 6.3.2018 erleidet der Versicherte einen Arbeitsunfall. Mit Bescheid vom 17.2.2019, zugestellt am 20.3.2019, lehnt die Berufsgenossenschaft die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Der Versicherte erhebt rechtzeitig Widerspruch und auf den Widerspruchsbescheid hin Klage. Mit Urteil vom 2.3.2021 verurteilt das Sozialgericht die Berufsgenossenschaft zur Anerkennung des Arbeitsunfalls. Das Urteil wird rechtskräftig. Mit Eintritt der Rechtskraft beginnt der Lauf der Verjährung.
Rz. 7
Wenn kein Feststellungsverfahren durchgeführt wurde, kommt § 113 nicht zur Anwendung. Dann beginnt die Verjährung gemäß § 199 Abs. 2 BGB mit der Begehung der Handlung. Dies ist in der gesetzlichen Unfallversicherung der Zeitpunkt des Versicherungsfalles (Hillmann, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 113; Nehls, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 113 Rz. 8).
Rz. 7a
Die Kenntnis von der Person des Schuldners kann deutlich nach dem Beginn der Leistungserbringung gegenüber dem Geschädigten liegen. Hält sich der nach den §§ 104 bis 107 privilegierte Schädiger jedoch trotz seiner besonderen Beziehung zum Geschädigten, die durch den betrieblichen Zusammenhang geprägt ist, im Verborgenen, wird sich die Berufung auf den Eintritt der Verjährung regelmäßig als rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) darstellen.
Rz. 8
Die Feststellung der Leistungspflicht durch den Unfallversicherungsträger kann durch jeden, auch nur vorläufigen, Verwaltungsakt erfolgen (Lauterbach/Dahm, SGB VII, § 113 Rz. 4; Wannagat/Waltermann, SGB VII, § 113 Rz. 2; Hillmann, in: juris-PK SGB VII, § 113 Rz. 9). Es reicht aus, wenn die Leistungspflicht nur dem Grunde nach festgestellt wird. Eine Bewilligung konkreter Leistungen wird nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht verlangt. Auch nach ihrem Sinn und Zweck kommt es nur darauf an, dass die für den Anspruch aus § 110 Abs. 1 bedeutsame Frage, ob ein Versicherungsfall vorliegt, endgültig geklärt ist, nicht aber darauf, dass die vom Unfallversicherungsträger zu gewährenden Leistungen auch der Höhe nach endgültig feststehen (BGH, Urteil v. 8.12.2015, VI ZR 37/15). Dies entspricht dem Normzweck, die Verjährung nicht eher beginnen zu lassen, als der Unfallversicherungsträger si...