Leitsatz

Der einzelne Aktionär hat keinen eigenen Anspruch gegen einen Kontrollerwerber auf Abgabe eines Pflichtangebots gem. § 35 Abs. 2 WpÜG: Er kann nicht vom Kontrollerwerber verlangen, dass dieser ihm die Aktien gegen Zahlung eines gesetzlich geregelten Mindestkaufpreises abkauft.

 

Sachverhalt

Ein Aktionär, der die Kontrolle über eine Zielgesellschaft "erlangt", muss dies unverzüglich und spätestens innerhalb von 7 Kalendertagen veröffentlichen (§ 35 Abs. 1 WpÜG). Innerhalb von weiteren 4 Wochen nach der Veröffentlichung der Kontrollerlangung hat der Kontrollerwerber der BaFin eine Angebotsunterlage zu übermitteln, mit der er den übrigen Aktionären den Kauf ihrer Aktien zu einem von ihm genannten Kaufpreis anbietet (§ 35 Abs. 2 WpÜG). Die BaFin prüft insbesondere, ob der angebotene Kaufpreis unangemessen ist. Die "Kontrolle" wird erlangt, wenn ein Aktionär mindestens 30 % der Stimmrechte an der Zielgesellschaft hält (§ 29 Abs. 2 WpÜG).

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall verlangte die Klägerin von der Beklagten den Kauf ihrer Aktien. Die Klägerin begründete dies damit, die Beklagte hätte die Kontrolle über die Gesellschaft, deren Aktien sie hielt, erlangt, jedoch kein Pflichtangebot gem. § 35 Abs. 2 WpÜG veröffentlicht. Es stellt sich die Frage, ob die kapitalmarktrechtliche Vorschrift des § 35 Abs. 2 WpÜG dem einzelnen Aktionär einen eigenen Anspruch gewährt.

Der BGH verneinte diese Frage. Dies wird vom BGH zum einen damit begründet, dass der Wortlaut der Vorschrift keinen Anspruch des einzelnen Aktionärs regelt. Diese Auslegung entspreche ferner auch dem Gesetzeszweck, da das WpÜG insgesamt ausschließlich öffentliche und keine privaten Interessen schützen will. Vielmehr verfügt ausschließlich die BaFin über die Befugnis, durch entsprechende Anordnung die Abgabe eines Pflichtangebots durchzusetzen.

Mit der gleichen Begründung, dass § 35 Abs. 2 WpÜG nicht den einzelnen Aktionär schützen soll, entschied der BGH ferner, dass die Norm auch kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB ist.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 11.6.2013, II ZR 80/12.

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