Leitsatz
Häufen sich Klagen und Titel gegen Schuldner, sind diese plötzlich nicht mehr auffindbar. Damit wird schon die Zustellung von Klageschriften und Urteilen zum Problem. Oft bleibt nur die öffentlich Zustellung. Hat dann der wieder aufgetauchte Schuldner gegen diese formale Einwände, kann das als Rechtsmissbrauch abgelehnt werden.
Sachverhalt
Ist die Krise nicht mehr zu verbergen, melden sich nicht wenige Schuldner beim Einwohnermeldeamt ab, ohne eine neue Anschrift anzugeben. Klingel- und Briefkastenschilder werden abgeschraubt und der Schuldner damit nicht mehr auffindbar. Besonders beliebt ist dieses Vorgehen bei der "kalten Liquidation" von GmbHs, für das von "Firmenbestattern" in Zeitungsanzeigen mehr oder weniger offen geworben wird. Neben der Geschäftsanteilsübertragung wird der Geschäftsführer ausgetauscht; der neue Geschäftsführer ist ohne Wohnsitz in Deutschland und auch in seinem Heimatland nicht erreichbar. Man hofft so, einem geordneten Insolvenz- oder Liquidationsverfahren, bei dem Ansprüche gegen die bisherigen Geschäftsführer und Gesellschafter geltend gemacht werden könnten, zu entgehen.
Bis zum Inkrafttreten des MoMiG, das auch bei der Erreichbarkeit von GmbHs Fortschritte bringen soll, hilft in solchen Fällen nur, die Klage gem. § 185 ZPO öffentlich zuzustellen, um dann regelmäßig ein Versäumnisurteil zu erhalten, das wiederum öffentlich zugestellt werden muss. Auf der Grundlage eines solchen Titels kann dann die Vollstreckung (häufig genug erfolglos) versucht werden (Das MoMiG wurde Ende Juni vom Bundestag verabschiedet und soll im September dem Bundesrat zur Zustimmung vorgelegt werden; vgl. Gruppe 10 S. 287).
In einigen Fällen tauchen die Schuldner jedoch unerwartet wieder auf und finden einen Fehler in der öffentlichen Zustellung. Der BGH hat klargestellt, dass es dem Schuldner dennoch verwehrt sein kann, sich auf derartige Fehler bei der öffentlichen Zustellung zu berufen.
Im entschiedenen Fall hatte sich der Beklagte beim Einwohnermeldeamt ohne Angabe eines neuen Wohnsitzes abgemeldet, hatte seine am bisherigen Wohnsitz weiterhin gemeldete und wohnende Ehefrau seine Post nicht weitergeleitet und hatte sein in anderen Vollstreckungssachen umfassend tätiger Anwalt sich geweigert, die Adresse des Schuldners bekannt zu geben. Völlig zu Recht hat der BGH es als rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich angesehen, wenn sich der Schuldner dann auf einen Fehler bei der öffentlichen Zustellung beruft.
Hinweis
Die öffentliche Zustellung nach § 185 ZPO ist das letzte Mittel, wenn der Schuldner nicht auffindbar ist. Die Voraussetzungen hierfür sind denkbar hoch, denn die bloße Mitteilung des Einwohnermeldeamts, dass der Gesuchte ohne Angabe eines neuen Wohnsitzes verzogen ist, reicht bei weitem nicht aus. Führen jedoch auch weitere Nachforschungen nicht zu einer zustellungsfähigen Adresse, sollte beim Gericht hartnäckig auf die öffentliche Zustellung gedrungen werden.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss v. 28.4.2008, II ZR 61/07.