Leitsatz

  • Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung eines inhaltsgleichen "Wiederholungsbeschlusses"

    Änderung vereinbarter Kostenverteilung durch nicht angefochtenen Mehrheitsbeschluss ("Zitterbeschluss")

 

Normenkette

§ 10 WEG, § 16 Abs. 2 WEG, § 23 WEG

 

Kommentar

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Vorlage des OLG Zweibrücken folgende Grundsatzentscheidung getroffen:

1. Zum Sachverhalt:

Der Eigentümer eines Sondereigentums im 1. OG betrieb dort eine Zahnarztpraxis. Kosten und Lasten waren gemäß Teilungserklärungsvereinbarung nach Miteigentumsanteilen zu tragen; zusätzlich war in der Gemeinschaftsordnung vereinbart, dass Bewirtschaftungskosten, die ein Wohnungseigentümer durch einen das gewöhnliche Maß übersteigenden Gebrauch oder Verbrauch verursache, er alleine zu tragen habe.

1985 beschloss die Eigentümerversammlung aufgrund überproportional starker Benutzung des Treppenhauses und des Aufzugs durch den von der Zahnarztpraxis ausgehenden Patientenverkehr eine Vorabbeteiligung dieses Eigentümers (Zahnarztes) von 7,5% an den Kosten der Reinigung und Beleuchtung des Treppenhauses sowie an den Aufzugskosten. Dieser Beschluss wurde vom Zahnarzt seinerzeit nicht angefochten und somit bestandskräftig. Auf Antrag des Arztes wurde dann in weiterer Eigentümerversammlung 1991 die Frage der Vorabbeteiligung erneut zur Abstimmung gestellt und mit Stimmenmehrheit die Beibehaltung der bisherigen Handhabung beschlossen. Diesen Beschluss focht der Zahnarzt an.

Das Amtsgericht wies Anfechtung und Feststellungsantrag (auf Rechtswidrigkeit der Vorabkostenbeteiligung) zurück; das Landgericht erklärte demgegenüber den angefochtenen Beschluss für ungültig. Die dagegen erhobene Rechtsbeschwerde beabsichtigte das OLG Zweibrücken zurückzuweisen, sah sich allerdings daran durch den Beschluss des OLG Stuttgart vom 21.07.1988 (OLGZ 88, 437/438) gehindert und legte dem Bundesgerichtshof die Sache zur endgültigen Entscheidung vor, nach Meinung des BGH auch zu Recht. Der BGH entschied im Sinne des OLG Stuttgart und bestätigte die Rechtsbeschwerde in diesem Verfahren als zulässig und auch begründet.

2. Aus den Gründen:

a) Sollte der zuletzt ergangene Beschluss von 1991 den inhaltsgleichen Beschluss 1985 novatorisch ersetzt und nicht bloß verstärkt haben, so wäre dieser damit zugleich - stillschweigend - aufgehoben worden (vgl. BayObLGZ 1988. 54, 57 und BGH vom 10. 3. 1994, NJW 1994, 1866/1867). Auch unter Berücksichtigung einer entsprechenden Anwendung des § 139 BGB bliebe eine Aufhebung des Erstbeschlusses mithin nur dann bestehen, wenn sich feststellen ließe, dass sie auch bei Kenntnis der Ungültigkeit der ersetzenden Regelung (also des neuerlichen Beschlusses) beschlossen worden wäre. Ein solcher Wille könne entgegen der Ansicht des vorlegenden OLG Zweibrücken hier nicht aus der Bereitschaft der Versammlung hergeleitet werden, über die schon geregelte Angelegenheit erneut zu beschließen. Die Bestätigung der im Erstbeschluss getroffenen Regelung spreche vielmehr dafür, dass der neue Beschluss nicht gefasst worden wäre, wenn Zweifel an dessen Gültigkeit bestanden hätten. Dass etwa nach Meinung der Eigentümermehrheit dieser Beschluss eine unklare Rechtslage beseitigen sollte und deshalb auf jeden Fall der frühere Beschluss aufgehoben worden wäre, sei hier weder dargetan noch ersichtlich.

Ein Rechtsschutzinteresse an der Anfechtung des Beschlusses von 1991 hätte die Antragstellerseite (Zahnarzt) somit grundsätzlich nur dann, wenn sich die begehrte Erklärung der Ungültigkeit auch auf den inhaltlich gleichen Beschluss von 1985 auswirken würde; dies sei jedoch nicht der Fall. Damit sei das Rechtsschutzbedürfnis für die neuerliche Anfechtung nicht gegeben; die Bindung der Eigentümer an einen früheren - bestandskräftigen - Beschluss bleibe auch dann bestehen, wenn er mit dem angefochtenen späteren Beschluss inhaltlich übereinstimme, da ein Beschluss seine Bestandskraft nur durch Aufbebung verliere.

b) Die Sondervereinbarung in der Gemeinschaftszuordnung über zusätzliche Bewirtschaftungskosten ermögliche allerdings zu Recht allenfalls die Umlegung der tatsächlichen Mehrkosten, nicht hingegen einer Kostenpauschale. Damit wäre der Beschluss von 1985 über die Vorabbeteiligung zu Lasten des Praxiseigentümers von pauschal 7,5% an diversen Kosten zwar rechtswidrig gewesen, weil dies einer Vereinbarung bedurft hätte; er sei deswegen jedoch nicht wirkungslos. Ein solcher Beschluss werde nämlich für alle Eigentümer ohne fristgemäße Beschlussanfechtung verbindlich, selbst wenn Einstimmigkeit - also eine Vereinbarung - notwendig gewesen wäre. So die absolut h.R.M., die in den Gründen der Senatsentscheidung zitiert wird; ich spreche hier bekanntlich von allstimmigem Zustimmungserfordernis, allerdings der Möglichkeit einer "Zitterbeschluss"-Fassung, also einem Beschluss, der mangels - sicher erfolgreicher - Anfechtung nach Ablauf der Beschlussanfechtungsfrist endgültig bestandskräftig wird.

Auch die abweichenden Meinungen des OLG Karlsruhe (WE 1991...

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