Leitsatz

  1. Keine Arztpraxis in "nicht Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten im Dachgeschoss"
  2. Keine Verwirkung des Nutzungsunterlassungsanspruchs
 

Normenkette

§§ 1 Abs. 3, 14 Nr. 1, 15 Abs. 2 und Abs. 3 WEG; §§ 242 und 1004 Abs. 1 BGB

 

Kommentar

  1. Eine die gesetzliche Beschreibung des Teileigentums (§ 1 Abs. 3 WEG) wiederholende Bezeichnung eines Raums in der Teilungserklärung als "nicht Wohnzwecken dienender Raum" ist als Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter des Inhalts zu verstehen, dass der Raum zwar nicht zu Wohnzwecken, aber grds. zu jedem anderen beliebigen Zweck genutzt werden darf. Für die weitergehende Frage, ob eine bestimmte Nutzung zulässig ist, sind neben etwaigen Vereinbarungsregelungen in der hierzu auszulegenden Teilungserklärung nach den in § 15 Abs. 2 WEG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken auch Lage und Beschaffenheit des Raums von Bedeutung.

    Die Zweckbestimmung "Teileigentum" kann nicht mit der Vereinbarung einer gewerblichen bzw. freiberuflichen Nutzung gleichgesetzt werden. Bei einem Teileigentum kann es sich auch um eine zwar zum Wohnungseigentum gehörende, aber nicht zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmte, sondern nur mit der Wohnnutzung in Zusammenhang stehende, untergeordneten Zwecken dienende Räumlichkeit handeln. Dies können etwa ein Abstellraum, ein Hobbyraum, eine Werkstatt oder eine Garage sein.

    Im vorliegenden Fall konnte ein nicht Wohnzwecken dienender Raum im Dachgeschossnicht zum Betrieb einer Arztpraxis genutzt werden. Insoweit ist nicht von einer Zweckbestimmung jeglicher gewerblicher oder freiberuflicher Nutzung zu sprechen. Die Räumlichkeit war auch nicht als "Büro" oder "Gewerberaum" zweckbestimmt. In Auslegung aller Nutzungsvereinbarungen (lt. Aufteilungsplan und Teilungserklärung) und der Einreihung zur Wohnung gehörenden Nebenräumlichkeiten (nämlich Abstellraum, Vorraum, Balkon und Keller) ergibt sich vielmehr, dass es sich bei dem "nicht Wohnzwecken dienenden Raum im Dachgeschoss" zwar um einen zur Wohnung gehörigen, aber nicht zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmten Zwecken dienenden Raums handelt (vgl. auch BayObLG v. 28.12.1995, 2Z BR 95/95, FGPrax 1996, 57). Insoweit handelte es sich bei dem Raum im DG auch nicht um einen Wohnraum. Damit ist in dieser Räumlichkeit weder eine Nutzung zu Wohnzwecken noch eine gewerbliche oder freiberufliche Nutzung gestattet.

  2. Auch ein nutzungsändernder Mehrheitsbeschluss (sog. Zitterbeschluss) ist hier mangels Beschlusskompetenz von Anfang an nichtig (BGH v. 20.9.2000, V ZB 58/99, NJW 2000, 3500). Änderungen könnten hier auch nur wieder durch Neuvereinbarung vorgenommen werden.
  3. Voraussetzung eines Erfolg versprechenden Unterlassungsanspruchs ist es, dass durch die vereinbarungswidrige Nutzung andere Wohnungseigentümer in stärkerem Maße beeinträchtigt werden als durch eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung (h. M.). Hiervon ist vorliegend auszugehen. Auch die Nutzung eines Dachgeschosses als Wohnung stört mehr als eine Nutzung zu anderen als Wohnzwecken (intensivere Nutzung, vgl. auch BayObLG v. 13.1.1994, 2Z BR 130/93, WuM 1994, 222).
  4. Im vorliegenden Fall war auch nicht von einer Verwirkung des Nutzungsunterlassungsanspruchs auszugehen. Die Verwirkung eines Rechts nach § 242 BGB setzt Dreierlei voraus: 1. muss eine längere Zeit verstrichen sein (sog. Zeitmoment); 2. muss ein konkretes Verhalten des Gläubigers vorliegen, aufgrund dessen der Schuldner darauf vertrauen durfte, der Gläubiger werde die Forderung nicht mehr geltend machen mit der Folge, dass wegen des geschaffenen Vertrauenstatbestands die verspätete Geltendmachung des Rechts als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte anzusehen sei (sog. Umstandsmoment); 3. muss sich der Schuldner auch tatsächlich darauf eingerichtet haben, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Ein Vertrauensschutz kann nur dahin gehen, dass ein Schuldner bei gleich bleibenden Umständen die bisherige Nutzung im bisherigen Umfang fortsetzen kann (vgl. OLG Köln v. 27.1.1995, 16 Wx 13/95, NJW-RR 1995, 851, 852). Eine andersartige Nutzung kann hier nicht beansprucht werden.

    I. Ü. gibt es keinen allgemeinen Grundsatz, dass nur derjenige Miteigentümer Rechte geltend machen könne, der sich selbst rechtstreu verhalten habe (h. M.). Eine "Aufrechnung" unzulässiger Nutzungen findet nicht statt. Somit kann dem Unterlassungsanspruch auch nicht entgegengehalten werden, dass der Antragsteller selbst als Störer anzusehen ist, wenn er in seiner Wohneinheit ein Büro betreibt. Die Untersagung einer nunmehr beabsichtigten teilungserklärungswidrigen Nutzung setzt nicht voraus, dass sie für die weiteren Wohnungseigentümer störender ist als eine zuvor ausgeübte andersartige teilungserklärungswidrige Nutzung.

  5. Auch eine Sondernutzungsrechtsbegründung konnte nicht beschlossen werden, da der Eigentümerversammlung insoweit die Beschlusskompetenz fehlt. Ein Gebrauchsentzug ist keine Regelung des Gebrauchs nach § 15 WEG. Er ändert vielmehr § 13 Abs. 2 WEG ab und hat deswegen nicht (auch) vereinbarungs...

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