Leitsatz (amtlich)

1. In der die gesetzliche Beschreibung des Teileigentums (§ 1 Abs. 3 WEG) wiederholenden Bezeichnung eines Raumes in der Teilungserklärung als "nicht Wohnzwecken dienender Raum" liegt eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter des Inhalts, dass der Raum zwar nicht zu Wohnzwecken, aber grundsätzlich zu jedem anderen beliebigen Zweck genutzt werden darf. Für die weitergehende Frage, ob eine bestimmte Nutzung zulässig ist, sind neben etwaigen Regelungen in der hierzu auszulegenden Teilungserklärung nach den in § 15 Abs. 2 WEG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken auch Lage und Beschaffenheit des Raumes von Bedeutung.

Die Zweckbestimmung "Teileigentum" ist nicht mit der Vereinbarung einer gewerblichen bzw. freiberuflichen Nutzung gleichzusetzen. Bei einem Teileigentum kann es sich auch um eine zwar zur Wohnung gehörende, aber nicht zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmte, sondern nur mit der Wohnnutzung im Zusammenhang stehende, untergeordneten Zwecken dienende Räumlichkeit handeln, etwa einen Abstellraum, einen Hobbyraum oder eine Werkstatt.

2. Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und führt zu einer inhaltlichen Begrenzung des Rechts im Verhältnis zwischen Verletztem und Verletzer. Wesen der Verwirkung ist es, das Recht des an sich Berechtigten, vom Pflichtigen ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu verlangen, aus Gründen des Vertrauensschutzes des Pflichtigen zu begrenzen. Dieser Vertrauensschutz kann aber nur dahin gehen, dass der Berechtigte seine nach der bisherigen Rechtslage bestehenden, aber nicht ausgeübten Rechte auch weiterhin nicht geltend macht.

Der auf Verwirkung begründete Vertrauensschutz eines sein Sondereigentum in teilungserklärungswidriger Weise nutzenden Sondereigentümers kann nur dahin gehen, dass er bei gleichbleibenden Umständen die bisherige Nutzung im bisherigen Umfang fortsetzen kann. Sein Vertrauensschutz erstreckt sich aber nicht darauf, anstelle der bisherigen teilungserklärungswidrigen Nutzung nunmehr eine andersartige, ebenfalls teilungserklärungswidrige Nutzung beanspruchen zu können.

Die Untersagung der nunmehr beabsichtigten teilungserklärungswidrigen Nutzung setzt nicht voraus, dass sie für die weiteren Wohnungseigentümer störender ist als eine zuvor ausgeübte andersartige teilungserklärungswidrige Nutzung.

3. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass nur derjenige Rechte geltend machen kann, der sich selbst rechtstreu verhalten hat. Eine "Aufrechnung" unzulässiger Nutzungen von Sondereigentum findet nicht statt.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 26.08.2006; Aktenzeichen 76 II 270/01 WEG)

LG Berlin (Beschluss vom 21.06.2005; Aktenzeichen 85 T 533/03 WEG)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten dritter Instanz zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten dritter Instanz wird nicht angeordnet.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die nach §§ 27, 29 FGG, § 45 WEG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss des LG beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, § 27 Abs. 1 Satz 1 FGG.

A. Zu Recht hat das LG auf die von ihm zutreffend als zulässig angesehene Erstbeschwerde der Antragstellerin die Antragsgegnerin verpflichtet, den - ausgeübten - Betrieb einer Arztpraxis in den im Aufteilungsplan der Wohnanlage mit der Nr. 6 bezeichneten Räumlichkeiten im Dachgeschoss sowie in den daneben gelegenen Räumlichkeiten zu unterlassen. Denn der Antragstellerin steht ggü. der Antragsgegnerin aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG ein entsprechender Individualanspruch, gerichtet auf Unterlassung des Betriebs einer Arztpraxis, zu. Hierbei kann dahinstehen, ob die Antragsgegnerin die Praxis in sämtlichen streitgegenständlichen Räumen des Dachgeschosses betreibt (so die Antragstellerin in der Erstbeschwerdebegründungsschrift vom 10.10.2004, dort S. 3 = Bd. I Bl. 248 d.A.), ob nur ein in § 2 Nr. 6 der Teilungserklärung vom 20.6.1979 (Bl. 5 d.A.) genannter "nicht Wohnzwecken dienender Raum im D. G." zum Betrieb der Praxis genutzt wird (so die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 30.3.2002, dort S. 7 = Bd. I Bl. 55 d.A. und im Schriftsatz vom 11.9.2002, dort S. 9 = Bd. I Bl. 141 d.A.) oder ob der Praxisbetrieb nur in den an den genannten Raum angrenzenden Räumlichkeiten im Dachgeschoss ausgeübt wird (worauf der Vortrag der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 30.3.2002, dort S. 5 = Bd. I Bl. 53 d.A. hindeutet) und ob in letzterem Fall die Praxis lediglich in denjenigen an das Sondereigentum Nr. 6 im Dachgeschoss angrenzenden Räumen betrieben wird, hinsichtlich welcher mit Vereinbarung vom 22.1.1989 (Bd. I Bl. 81, 82 d.A.) ein Sondernutzungsrecht zugunsten des Rechtsvorvorgängers der Antragsgegnerin, M., begründet werden sollte und welche in der dieser Vereinbarung beiliegenden Skizze (Bd. I Bl. 83 d.A.) schraffiert eingezeichnet und mit "Waschküche" bezeichnet sind oder ob auch ...

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