Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 16 Abs. 2 WEG, § 21 Abs. 3 WEG, § 23 Abs. 1 WEG
Kommentar
1. Haben Wohnungseigentümer zur Finanzierung umfangreicher Sanierungsmaßnahmen (hier: Fensteraustausch) die Erhebung einer Sonderumlage (bestandskräftig) beschlossen, wird dieser Eigentümerbeschluss, der die auf die einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Beträge der Sonderumlage fällig stellt, nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass die Eigentümer später einen Beschluss über die bloße Änderung der Ausführungsart hinsichtlich einzelner Sanierungsmaßnahmen (hier: nur Reparatur, nicht Austausch einiger Fenster) fassen.
2. Vorliegend war der Sonderumlagebeschluss die Grundlage für die eingeklagte anteilige Umlage; die Antragsgegnerseite hatte einen Tag vor Versammlung und Beschlussfassung Eigentum im Wege der Zwangsversteigerung durch Zuschlagsbeschluss erworben und war damit aus dem Beschluss verpflichtet.
Es war unschädlich, dass der Sonderumlagebeschluss den Verteilungsschlüssel und die Belastung der einzelnen Eigentümer nicht ausdrücklich angab; der Gesamtbetrag der Umlage war in einem solchen Fall nach dem allgemein geltenden Schlüssel auf die einzelnen Eigentümer zu verteilen (vgl. BayObLG, NJW 93, 603).
3. Eigentümerbeschlüsse können vom Rechtsbeschwerdegericht in eigener Kompetenz ausgelegt werden, wenn keine weiteren Ermittlungen erforderlich sind (vgl. BGH, NJW 98, 3713 und KG, ZMR 99, 354 = WE 99, 219). Die Auslegung von Beschlüssen hat hier aufgrund der Wirkungen auch für Sondernachfolger wie bei Grundbucheintragungen nach objektiven Umständen zu erfolgen.
Vorliegend war entgegen der Auffassung des LG auch durch spätere Beschlussfassung allein zum Umfang der durchzuführenden Sanierungsmaßnahmen (hier: Reduzierung des Umfangs) weder der frühere Sonderumlagebeschluss aufgehoben noch eingeschränkt worden. Durch bloße Änderung der Ausführungsart hinsichtlich einzelner Sanierungsmaßnahmen sollte der grundlegende Beschluss über die Erhebung der Sonderumlage nicht berührt werden.
Dem Zahlungsantrag wurde deshalb in III. Instanz stattgegeben.
4. Aufgrund des Verzugs mit der Zahlung der fälligen Sonderumlage wurde die Antragsgegnerseite auch in die außergerichtliche Kostenerstattung aller drei Instanzen verurteilt (trotz entgegenstehender Vorinstanzentscheidungen) bei Geschäftswert III. Instanz von 18.547,62 DM (eingeklagter Sonderumlageanteil bei seinerzeit beschlossener Sonderumlage in Höhe von 860.000 DM insgesamt).
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Beschluss vom 21.07.1999, 24 W 2613/98)
Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Auch wenn hier durch spätere Reduzierung des seinerzeit beschlossenen Sanierungsumfangs auch von einer Reduzierung von etwa 1/3 der Sanierungsgesamtkosten auszugehen sein dürfte, hat der Senat in richtiger Auslegung späterer Beschlüsse die Bestandskraft des früheren Sonderumlagebeschlusses nicht infrage gestellt. In solchen und ähnlichen Fällen einer sicher zu unterstellenden wesentlichen Änderung früherer Beschlussgrundlagen empfehle ich allerdings doch in der Praxis im Falle eines solchermaßen neuerlich beschlossenen reduzierten Sanierungsumfangs (aufgrund neuer gutachterlicher Feststellungen) konsequenterweise auch die Reduzierung einer üblicherweise zuvor mitbeschlossenen Sonderumlagefinanzierung, um unnötige Überzahlungen und Gutschriftsrückbuchungen größeren Umfangs zu vermeiden. Im vorliegenden Fall hätte deshalb die Gemeinschaft nachfolgend durchaus auch durch separaten neuen Beschluss den alten Sonderumlagebeschluss aufheben und entsprechend ändern können bzw. müssen. Meines Erachtens hätte hier auch ein entsprechender Verpflichtungsantrag eines Eigentümers gegen die Gemeinschaft auf Änderung auch des früheren Sonderumlagebeschlusses vielleicht noch rechtzeitig zum Erfolg führen können. Zunächst war jedoch auf der Basis des früheren bestandskräftigen Beschlusses der Zahlungsantrag gerechtfertigt und auch begründet.