Normenkette

§ 10 WEG, § 23 WEG, § 28 WEG, § 242 BGB

 

Kommentar

1. In der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung war vereinbart, dass die Abrechnung als anerkannt gelte, wenn ihr nicht innerhalb von 4 Wochen nach Absendung schriftlich widersprochen werde. Noch vor Ablauf dieser Frist wurde dann in der Gemeinschaft erneut über die Abrechnung in einer Eigentümerversammlung förmlich Beschluss gefasst. Diese Konstellation veranlasste das KG Berlin, diese Streitsache dem BGH vorzulegen, mit der Begründung, dass es die Vereinbarung einer solchen sog. Abrechnungsgenehmigungsfiktion für ungültig halte, da das OLG Frankfurt vom 27. 9. 1985 (OLGZ 1986, 45) von einer Gültigkeit dieser Vereinbarung ausgegangen sei, im Übrigen auch das OLG Hamm vom 29. 6. 1981 (OLGZ 1982, 20, 25) mit gleicher Regelung wie vorliegend. Das KG Berlin sah die vorgelegte Rechtsfrage für entscheidungserheblich an; an diese Feststellung sei der BGH im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung gebunden (BGHZ 99, 90, 92).

2. Der BGH verstand die Vereinbarung zur getroffenen Abrechnungsregelung dahin, dass die nach § 23 Abs. 3 WEG für eine gültige Beschlussfassung genügende schriftliche Zustimmung aller Eigentümer zur Beschlussvorlage im Interesse der Verwaltungsvereinfachung durch eine unwiderlegliche Zugangs- und Zustimmungsvermutung ersetzt werde, sodass es auf die Entscheidung der vom KG als entscheidungserheblich angesehenen Rechtsfrage, ob hier die Teilungserklärung insoweit dispositives Gesetzesrecht ändere und einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB standhalte, nicht ankomme.

Eigentümer seien nach h. M. grundsätzlich berechtigt, über eine schon geregelte gemeinschaftliche Angelegenheit erneut zu beschließen (autonome Beschlusskompetenz der Gemeinschaft). Der nachfolgende Beschluss in der Eigentümerversammlung sei nicht wirkungslos und auch bei Wirksamkeit eines früheren Beschlusses kein nichtiger Beschluss; umgekehrt hätte der nachfolgende Versammlungsbeschluss einen zuvor schon in der Teilungserklärung gültig zustande gekommenen Abrechnungsbeschluss außer Kraft gesetzt. Allerdings könne jeder Eigentümer nach § 21 Abs. 3 und 4 WEG verlangen, dass ein neuer Beschluss schutzwürdige Belange aus Inhalt und Wirkungen des Erstbeschlusses berücksichtige; die dabei einzuhaltenden Grenzen richteten sich nach den Umständen des Einzelfalles (BayObLG Z 1985, 57, 62; möglicherweise zu eng hingegen BayObLG, WuM 1988, 322). Im vorliegenden Fall sei im Übrigen der Erstbeschluss erst nach Ablauf der 4-wöchigen Widerspruchsfrist wirksam geworden und hätte dann innerhalb eines Monats angefochten werden können. Der nachfolgende Versammlungsbeschluss gleichen Inhalts sei im Übrigen hier noch vor Bestandskraft des früheren Beschlusses gefasst worden.

Da das Beschwerdegericht sachliche Einwendungen gegen den Abrechnungsbeschluss hätte prüfen müssen, wurde die Angelegenheit zur weiteren noch erforderlichen Sachaufklärung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

 

Link zur Entscheidung

( BGH, Beschluss vom 20.12.1990, V ZB 8/90)

zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung

Anmerkung:

M. E. hätte der Senat der vorgelegten Gültigkeits- oder Ungültigkeitsfrage vereinbarter sog. Abrechnungsfiktionen nicht aus dem Wege gehen dürfen/müssen. Dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft befugt ist, über eine schon geregelte Angelegenheit erneut zu beschließen und dass in einem solchen Fall bei Anfechtung des Folgebeschlusses schutzwürdige Belange eines Eigentümers aus Inhalt und Wirkungen des Erstbeschlusses zu beachten seien (wohl Anfechtungserfolg, wenn sich Umstände der früheren Beschlussfassung nicht wesentlich änderten und hier in früherer Beschlussfassung Vertrauenstatbestände für Eigentümer geschaffen wurden, also Folgebeschlüsse als rechtsmissbräuchlich zu charakterisieren wären), entspricht h. M. Zu Unrecht geht allerdings m. E. der BGH bei der hier getroffenen Fiktionsvereinbarung einer Abrechnungsgenehmigung offensichtlich von einem schriftlichen Beschluss aus bzw. zulässiger Ersetzung der Zustimmung aller Eigentümer durch diese unwiderlegliche Zugangs- und Zustimmungsvermutung. Dies erscheint mir unter Berücksichtigung des zwingenden Charakters der gesetzlichen Regelung in § 23 Abs. 3 WEG nicht vertretbar. Schriftliche Umlaufbeschlüsse (also solche, die nicht in einer Eigentümerversammlung zustandekommen) sind nach Gesetz (zwingend!) nur gültig, wenn alle Eigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss schriftlich erklären. Über Zugangs- und Zustimmungsvermutung kann hier m. E. kein solcher schriftlicher Beschluss zustandekommen (mangels positiver Zustimmung aller Eigentümer). Zumindest mittelbar hat damit der BGH Abrechnungszustimmungsfiktionen in Vereinbarungen wohl (entgegen diverser anderer Meinungen) als grundsätzlich gültig (Beschlusscharakter) erachtet (vgl. hierzu jedoch die einschränkende Entscheidung des BayObLG, Entscheidung vom 23. 9. 1988, Az.: BReg 2 Z 97/87= WE 1989, 175).

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