Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 16 Abs. 2 WEG, § 45 Abs. 2 WEG, § 894 ZPO
Kommentar
1. Eine vom Gericht ausgesprochene Änderung des Kostenverteilungsschlüssels nach § 16 Abs. 2 WEG (hier: KG Berlin, Entscheidung vom 1. 10. 1990, Az.: 24 W 184/90zur Aufteilung der Kosten nach Wohn- und Nutzfläche gegenüber der gesetzlich vorgeschlagenen Regelung nach Miteigentumsanteilen) ist erst bei den nach Rechtskraft der Gerichtsentscheidung gefassten Eigentümerbeschlüssen (insbesondere über Abrechnungen) zugrunde zu legen. Ein Anspruch auf Änderung des Verteilungsschlüssels kann vor rechtskräftiger Entscheidung darüber auch nicht einredeweise auf vorher ergangene Eigentümerbeschlüsse angewendet werden.
Vorliegend wurde erst mit Senatsbeschluss vom 1. 10. 1990 entschieden, dass widerstrebende Miteigentümer zur Zustimmung zu einer Änderung der Lasten- und Kostenverteilung dahingehend verpflichtet seien, dass entgegen der Vereinbarung in der Teilungserklärung nicht die Miteigentumsanteile, sondern die Wohn-/Nutzflächen der Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheiten maßgebend seien. Entsprechend § 894 ZPO gelte damit die allseitige Zustimmung als gegeben und für die Zukunft die dispositive gesetzliche Regelung des § 16 Abs. 2 WEG wirksam als abbedungen. Erst für die nach rechtskräftig ausgesprochener Änderung des Kostenverteilungsschlüssels gefassten Eigentümerbeschlüsse sei von dem geänderten Kostenschlüssel auszugehen. Auf bereits wirksam nach der bisherigen Rechtslage gefasste Eigentümerbeschlüsse sei die Änderung des Schlüssels nicht rückwirkend anwendbar.
Wie das Verhältnis zwischen Sondereigentum und Miteigentum am gemeinschaftlichen Eigentum festgelegt werde und welche Gesichtspunkte dabei berücksichtigt würden, habe das Gesetz der freien Bestimmung überlassen, wobei zwischen den Begründungsformen von Eigentum nach § 3 WEG einerseits und § 8 WEG andererseits kein Unterschied bestehe (BGH, NJW 1976, 1976 zu einer Teilung nach § 8 WEG). Nach den Gesetzesmaterialien sei zwar eine Übereinstimmung des Beteiligungsverhältnisses am gemeinschaftlichen Eigentum mit dem Verhältnis des Werts der Sondereigentumsrechte als wünschenswert angesehen worden, im bewussten Gegensatz zu bestehenden ausländischen Vorbildern sei dies jedoch nicht gesetzlich zwingend vorgeschrieben worden (vgl. Weitnauer, 7. Aufl. § 3 Rdn. 2).
Vollzogen worden sei die Änderung im vorliegenden Fall erst mit der rechtskräftigen Senatsentscheidung, die dann für alle Beteiligten bindend sei ( § 45 Abs. 2 S. 1 und 2 WEG). Bis zu einer rechtskräftigen Änderung des Kostenverteilungsschlüssels müssten deshalb notwendigerweise die Miteigentumsanteile ( § 16 Abs. 2 WEG) gelten. Gültig sei nämlich die in der Gemeinschaftsordnung mit Vereinbarungscharakter getroffene Regelung solange, als sie nicht durch eine Vereinbarung aller Wohnungseigentümer oder eben durch eine - wie hier - zu ersetzende rechtskräftige gerichtliche Entscheidung abgeändert worden sei (vgl. BayObLG, NJW-RR 1990, 1493; OLG Düsseldorf, NJW 1985, 2837; so auch schon Senatsentscheidung vom 12. 7. 1989, 24 W 6689/88). In einem Beschlussanfechtungsverfahren könne die Ordnungsmäßigkeit eines Eigentümerbeschlusses nur nach der Rechtslage der Gemeinschaftsordnung überprüft werden, die im Zeitpunkt der Beschlussfassung Bestand habe.
Die Hinausschiebung einer Beschlussfassung über Jahresabrechnungen könne auch deshalb nicht zugelassen werden, weil eine solche Verzögerung schwere Nachteile für die Gemeinschaft mit sich bringen könnte. Bei einem zwischenzeitlichen Eigentümerwechsel könnten inzwischen ausgeschiedene Wohnungseigentümer hinsichtlich der abzurechnenden Wirtschaftsperiode später nur unter wesentlich erschwerten Bedingungen, jedenfalls nicht mehr auf der Grundlage eines Eigentümerbeschlusses, in Anspruch genommen werden. Soweit Eigentümer oder Teileigentümer durch die fehlende Rückwirkung einer Änderung des Verteilungsschlüssels in der Zwischenzeit wirtschaftlich begünstigt würden, müsse dies vorübergehend hingenommen werden. Immerhin sei die Wertdiskrepanz zwischen Sondereigentum und Miteigentumsanteil nach den Grundbucheintragungen für jeden Wohnungserwerber zumindest erkennbar gewesen. Eine solche mögliche Wertdiskrepanz habe der Gesetzgeber hingenommen und dessen ungeachtet die Regelung des § 16 Abs. 2 WEG geschaffen, sodass bis zur rechtskräftigen Änderung eines Verteilungsschlüssels alle Miteigentümer und auch der Verwalter daran gebunden seien.
2. Gequotelte Kostenentscheidung (keine Erstattung außergerichtlicher Kosten). Geschäftswertfestsetzung unter Änderung der Wertansätze der Vorinstanzen für alle drei Instanzen DM 12.000,-.
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Beschluss vom 10.07.1992, 24 W 111/92= ZMR 11/92, 509)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer