Leitsatz
Fristversäumnisse sind trotz Outlook, Anwaltsoftware und herkömmlichen Fristenkalendern ein Dauerbrenner. Gerichte geben den Wiedereinsetzungsanträgen meist nicht statt, schon gar nicht, wenn der Anwalt es unterlässt, vorzutragen, dass und wie er seine mit der Fristennotierung beauftragte Angestellte überwacht hat. Bei Teilzeitkäften ist besonders ausführlich vorzutragen.
Sachverhalt
Ein Anwalt hat – letztendlich vergeblich – für seinen Mandanten beantragt, ihm gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, nachdem die Berufungsbegründungsschrift beim OLG verspätet eingegangen war.
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags hatte der Anwalt vorgetragen, seine als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte beschäftigte Frau B., die dreimal in der Woche von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr in seiner Kanzlei arbeitet, habe bei der Fristeneintragung einen Fehler begangen.
Die Eintragung von Fristen gehöre zu dem Aufgabenbereich von Frau B., die als eine ordentliche und zuverlässige Person bekannt sei. Frau B. habe bei der Übertragung der Fristen in den Fristenkalender 2009 die Berufungsbegründungsfrist auf den 18.2.2009 eingetragen statt auf den 8.2.2009.
Da kanzleiintern die Fristakten 1 Woche vor Fristablauf zur Wiedervorlage eingetragen würden, sei die Akte am 11.2.2009 zur Bearbeitung vorgelegt worden. Frau B. habe die Frist im Fristenkalender auf den 18.2.2009 eingetragen und dies auf ein DIN-A-5-Blatt mit einem roten Stift wie folgt vermerkt: "Fristsache!!! Fristablauf 18.2.2009!" Dieses Blatt habe Frau B. wie üblich auf die Akte getackert. Bei der Bearbeitung der Akte am 12.2.2009 sei dem Anwalt der Fehler seiner Mitarbeiterin nicht aufgefallen. Auch habe kein Grund für eine genaue Kontrolle des Fristablaufs vorgelegen, da Frau B. dies eindeutig auf der Akte auf einer DIN-A-5-Seite vermerkt habe. Erst am nächsten Tag, als der Postausgang habe eingetragen werden sollen, habe Frau B. den Fehler bemerkt.
Das OLG Bremen hat den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet zurückgewiesen, weil der Anwalt nicht glaubhaft gemacht hat, dass ihn an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist kein Verschulden trifft (§§ 233, 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
- Der Anwalt hat das Urteil des LG vom 24.11.2008 am 8.12.2008 erhalten, am selben Tag das entsprechende Empfangsbekenntnis unterzeichnet und am 11.12.2008 die Berufungsschrift diktiert und unterschrieben.
- Nach zutreffender höchstrichterlicher Rechtsprechung hat der Rechtsanwalt bei Vorlage der Akte zur Fertigung der Berufungsschrift auch die ordnungsgemäße Eintragung der Berufungsbegründungsfrist zu kontrollieren (so auch BGH, Beschluss v. 20.1.2009, Xa ZB 34/08). Wäre der Anwalt dieser ihm obliegenden Pflicht nachgekommen, hätte er festgestellt, dass die Angestellte die Berufungsbegründungsfrist in dem Fristenkalender 2009 falsch eingetragen hatte, nämlich auf den 18.2.2009 statt auf Montag, den 9.2.2009. In diesem Fall wäre die falsch eingetragene Berufungsbegründungsfrist nebst der entsprechenden Vorfrist korrigiert und die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist vermieden worden.
- Darüber hinaus ist der Vortrag des Anwalts in seinem Wiedereinsetzungsgesuch auch deshalb unzureichend, weil er keine Angaben dazu enthält, dass und auf welche Weise er sichergestellt hat, dass die von der Bürokraft einzutragenden Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden.
- Dem Vortrag des Anwalts lässt sich nicht einmal ansatzweise entnehmen, dass und auf welche Weise die Tätigkeit der Büroangestellten Frau B. von ihm sorgfältig überwacht wird. Entsprechende Angaben waren gerade im vorliegenden Fall unverzichtbar, weil Frau B. als nur stundenweise in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten beschäftigte Teilzeitkraft besonders sorgfältiger Kontrolle bedurfte.
- Auf der Grundlage der vorgenannten eigenen Sachdarstellung des Anwalts lässt sich im Übrigen nicht einmal feststellen, dass in seinem Büro allein Frau B. für die Eintragung der Fristen und ihre Kontrolle zuständig war und ist.
Hinweis
Die Entscheidung des OLG Bremen nach dem Wiedereinsetzungsgesuch lässt erkennen, dass Gerichte bestimmte (nicht) fehlende "Formalien" prüfen und im Übrigen individuelle Besonderheiten im konkreten Fall (zulasten des Anwalts) gar nicht erst beachten.
Zur Schlüssigkeit eines Wiedereinsetzungsgesuchs gehört es, dass ein Verfahrensablauf vorgetragen wird, der ein Verschulden des Anwalts zweifelsfrei ausschließt. Unklarheiten gehen im Rahmen eines Wiedereinsetzungsgesuchs zulasten der Partei, die die Wiedereinsetzung begehrt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung erfordert eine vollständige, substanziierte und in sich schlüssige Darstellung der für die Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen innerhalb der 2-Wochen-Frist nach § 234 ZPO inklusive Glaubhaftmachung.
Beruft sich ein Anwalt auf ein sog. Büroversehen, muss er grundsätzlich innerhalb der 2-Wochen-Frist nach § 234 ZPO darlegen, dass kein Organisationsfehler vorli...