Rz. 211
Gerade bei älteren Erbbaurechten und Erbbauzinsreallasten fehlen Wertsicherungsklauseln. Es stellt sich dann die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Grundstückseigentümer eine Anpassung des Erbbauzinses verlangen kann. Für das Grundbuchverfahren ist diese Frage insoweit nicht relevant, als die Eintragung einer neuen Reallast oder einer Wertsicherungsklausel der Bewilligung des Erbbauberechtigten bedarf. Es ist dann eine materiellrechtliche Frage, unter welchen Voraussetzungen der Grundstückseigentümer hierauf einen Anspruch hat.
Ein Anpassungsanspruch besteht, wenn eine sog. Äquivalenzstörung gegeben ist. Zwar ist es allgemeines Risiko langfristiger Verträge, dass sich die den Wert der vereinbarten Leistungen beeinflussenden Verhältnisse während der Vertragsdauer zugunsten des einen oder des anderen Vertragspartners ändern. Eine Äquivalenzstörung kann in solchen Fällen ein Anpassungsverlangen aber dann rechtfertigen, wenn das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung so stark gestört ist, dass die Grenze des übernommenen Risikos überschritten wird und die benachteiligte Vertragspartei der getroffenen Vereinbarung ihr Interesse nicht mehr auch nur annähernd gewahrt sehen kann. Ein Anpassungsanspruch kann auch aus § 242 BGB hergeleitet werden, bspw. wenn ohne konkrete anderweitige Anhaltspunkte nicht angenommen werden kann, dass der Erbbaurechtsbesteller bei Vertragsabschluss das Risiko eines Geldwertschwundes um mehr als 3/5 übernommen hat. Aus dem Grundgedanken des § 9a Abs. 1 S. 2 ErbbauRG kann auch entnommen werden, dass in der Regel ist bei einem Vertrag ohne wertsichernde Klausel für den Umfang der Anpassung des Erbbauzinses die seit Vertragsabschluss eingetretene Steigerung der Lebenshaltungskosten und der Einkommen nach dem Mittelwert aus beiden Komponenten maßgebend, weil sich darin die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse widerspiegelt und der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht hat, dass eine über die Änderung dieser Verhältnisse nicht hinausgehende Erhöhung regelmäßig der Billigkeit entspricht.
Rz. 212
Grundlegende Leitsätze formulierte der BGH in zwei Entscheidungen. Danach ist festzuhalten:
Praxistipp
1. |
Bei Erbbaurechtsverträgen ohne Anpassungsklausel kann eine Änderung der vereinbarten Erbbauzinsen wegen Veränderung des Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung nur verlangt werden, wenn das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung (oder jedenfalls das ursprünglich zugrunde gelegte Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung) so stark gestört ist, dass die Grenze des übernommenen Risikos überschritten wird. |
2. |
Beurteilungsgrundlage hierfür ist die Entwicklung der Lebenshaltungskosten. |
3. |
Es kommt nicht auf die durchschnittliche jährliche Steigerung der Lebenshaltungskosten, sondern auf das Ausmaß des Kaufkraftschwundes insgesamt an. |
4. |
Bei einer Steigerung der Lebenshaltungskosten um 150,3 % ist die Grenze des für den Geldgläubiger Tragbaren überschritten. |
5. |
Der ursprünglich schlechte Zustand des Erbbaurechtsgeländes und die zu dessen Verbesserung erbrachten Aufwendungen des Erbbauberechtigten sind weder beim Grund noch beim Umfang der Anpassung zu berücksichtigen, wenn jedenfalls der beim Abschluss des Erbbaurechtsvertrags zugrunde gelegte Grundstückspreis dem damaligen tatsächlichen Wert des Grundstücks entsprach. |
6. |
Erfüllt die in einem Erbbaurechtsbestellungsvertrag vereinbarte wertsichernde Klausel ab einem bestimmten Zeitpunkt ihren Zweck nicht mehr, ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln, was die Vertragspartner nach Treu und Glauben für diesen Fall vereinbart hätten; führt die Auslegung zu keinem Ergebnis, kommt die Erhöhung des Erbbauzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht. In beiden Fällen sind nicht die seit Vertragsabschluss, sondern die seit der letzten aufgrund der Klausel vorgenommenen Erhöhung geänderten Verhältnisse maßgebend. |