Rz. 164
Die Auswirkungen grenzüberschreitender Insolvenzen beurteilen sich im Verhältnis der Mitgliedstaaten der EU – mit Ausnahme Dänemarks –, soweit das Verfahren nach dem 31.5.2002 und vor dem 26.6.2017 eröffnet wurde, nach der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren (sog. EuInsVO 2000). Für Verfahren, die nach dem 26.6.2017 eröffnet wurden, gilt die neue Verordnung (EU) 2015/848 (sog. EuInsVO 2015). Soweit diese Verordnungen nicht eingreifen, gilt das deutsche internationale Insolvenzrecht, das in den §§ 335 ff. InsO niedergelegt ist. Zur EuInsVO 2000 und zur EuInsVO 2015 gibt es in Art. 102 §§ 1–11 EGInsO und Art. 102a, 102b, 102c §§ 1–26 EGInsO ergänzende Durchführungsbestimmungen.
Rz. 165
Die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens wird nach Art. 16 EuInsVO 2000, Art. 19 EuInsVO 2015, § 343 InsO grundsätzlich anerkannt; die Ausnahmen (Verstoß gegen den ordre public) sind in Art. 26 EuInsVO 2000 und Art. 33 EuInsVO 2015 abschließend geregelt. Außerhalb des Geltungsbereichs der EuInsVO normiert § 343 InsO als Anerkennungshindernisse nur das Fehlen der internationalen Zuständigkeit oder den Verstoß gegen den ordre public. Dabei beurteilt sich die internationale Zuständigkeit in spiegelbildlicher Anwendung der deutschen Vorschriften in § 3 Abs. 1 InsO, §§ 12–17 ZPO. Folge der Anerkennung ist, dass die Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens sich auch auf das Inland erstrecken, und zwar entsprechend und unter Zugrundelegung der Vorschriften des Staates, in dem das Verfahren eröffnet wurde, Art. 17 EuInsVO 2000, Art. 20 EuInsVO 2015, § 335 InsO (Grundsatz der Wirkungserstreckung). Es gilt also bei ausländischen Insolvenzverfahren das ausländische Verfahrensrecht (Art. 4 EuInsVO 2000, Art. 7 EuInsVO 2015, sog. "Lex fori concursus") grundsätzlich auch für inländisches Vermögen, soweit nicht in der EuInsVO besondere Anknüpfungen geregelt sind (Art. 5 ff. EuInsVO 2000, Art. 8 ff. EuInsVO 2015). Damit erstrecken sich auch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse sowie die Rechtsmacht des Insolvenzverwalters insgesamt grundsätzlich auf das inländische Vermögen. Auch die Befugnisse des Verwalters beurteilen sich nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung, vgl. Art. 18 EuInsVO 2000, Art. 21 EuInsVO 2015. Die Eintragung des Insolvenzvermerks im Grundbuch ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung der Befugnisse des ausländischen Insolvenzverwalters im deutschen Grundbuchverfahren. Der Insolvenzvermerk wird auf Ersuchen des zuständigen Insolvenzgerichts beim Grundbuchamt eingetragen (Art. 102 § 6 Abs. 1 S. 1 EGInsO, Art. 102c § 8 EGInsO). Die Befugnisse des Insolvenzverwalters sind jedoch vom Grundbuchamt von Amts wegen zu prüfen, wenn er eine Eintragung bewilligt. Territorial beschränkt sind Partikularinsolvenzverfahren, Art. 3 Abs. 4 EuInsVO 2015, § 354 Abs. 1 InsO. Nachgewiesen wird die Bestellung zum Verwalter gem. Art. 19 EuInsVO 2000, Art. 22 EuInsVO 2015 durch eine beglaubigte Abschrift der Entscheidung, durch die der Verwalter bestellt worden ist, oder durch eine andere Bescheinigung des zuständigen Gerichts.
Rz. 166
Im Übrigen werden die Befugnisse eines ausländischen Verwalters im Inland durch die Sonderanknüpfungen nach Art. 5 ff. EuInsVO 2000, Art. 8 ff. EuInsVO 2015 bzw. §§ 336 ff. InsO begrenzt. Unberührt vom ausländischen Insolvenzverfahren bleiben dabei nach Art. 5 EuInsVO, § 351 InsO dingliche Rechte Dritter an, auch unbeweglichen, Gegenständen des Schuldners im Inland. Erfasst wird davon auch die Vormerkung als anderes in öffentlichen Registern eingetragenes und gegen jedermann wirkendes Recht, Art. 5 Abs. 3 EuInsVO 2000, Art. 8 Abs. 3 EuInsVO 2015. Ferner kann ein ausländisches Insolvenzverfahren die Rechte des Schuldners an im Inland belegenen Immobilien nur in dem Umfang beschränken wie ein inländisches Verfahren, Art. 11 EuInsVO 2000, Art. 14 EuInsVO 2015, § 351 Abs. 2 InsO. Wirkungen eines ausländischen Insolvenzverfahrens, die im Recht des grundstücksregisterführenden Staates nicht vorgesehen sind, können somit auch nicht eintreten. Weitergehend unterstellt Art. 8 EuInsVO 2000, Art. 11 EuInsVO 2015, § 336 InsO die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Vertrag, der ein dingliches Recht an einem Grundstück oder ein Recht zur Nutzung eines Grundstücks betrifft, dem Recht des Belegenheitsstaates. Bei Verfügungen des Schuldners über deutsche Grundstücke finden nach Art. 14 EuInsVO 2000, Art. 17 EuInsVO 2015 (beschränkt auf Verfügungen gegen Entgelt), § 349 InsO in jedem Falle die §§ 878, 892 f. BGB Anwendung, so dass gutgläubige Erwerber geschützt bleiben.
Rz. 167
Die Eintragung der Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens (Hauptinsolvenzverfahren) in das deutsche Grundbuch ist in Art. 22 EuInsVO 2000, Art. 29 Abs. 1 EuInsVO, § 346 InsO zugelassen. Hierzu stellt der ausländische Insolvenzverwalter des Hauptinsolvenzverfahrens einen entsprechenden Antrag beim zuständigen Insolvenzgericht. Dies dürfte i.d.R. ...