Rz. 5
§ 12 GBO setzt für die Gewährung der Einsicht das Bestehen eines berechtigten Interesses und dessen Darlegung voraus. Der Begriff des berechtigten Interesses ist weiter gefasst, als der des rechtlichen Interesses. Während letzteres regelmäßig eine Beziehung zu einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis, eine Beeinflussung der privat- oder öffentlich-rechtlichen Situation des Betroffenen voraussetzt, umfasst das berechtigte Interesse z.B. auch wirtschaftliche Interessen, die allerdings rechtliche Fragestellungen mit berühren müssen. Der Begriff ist andererseits enger als der des wirtschaftlichen Interesses oder der bloßen Neugier, es genügt nicht jedes beliebige Interesse, sondern nur ein bei verständiger Würdigung der Sachlage und auch des vielleicht widerstreitenden Interesses des Grundstückseigentümers als gerechtfertigt anzuerkennendes Interesse. Berechtigt i.S.v. § 12 GBO ist nur ein solches Interesse, das sich darauf gründet, dass in Bezug auf das im Grundbuch Verlautbarte ein rechtlich relevantes Handeln beabsichtigt ist. Nur ein solches Interesse hat Bezug zur materiellen Publizitätswirkung: Wer durch das Grundbuch rechtlich handeln will, bedarf des Schutzes des Grundbuches. Das Grundbuch ist keine Bürgerauskunftei für interessante Dinge, sondern ein Instrument des Rechtsverkehrs. Es dient lediglich der Verlautbarung sachenrechtlicher Rechtsverhältnisse. Die in den Medien oder auch der Politik oft geäußerte Kritik, das Grundbuch sage nichts über den Wert einer Immobilie oder den "wahren Eigentümer" aus, wenn eine juristische Person als Rechtsinhaber eingetragen ist, geht fehl (dazu auch § 1 Einl. Rdn 12 ff.). Der Wert einer Immobilie ist ein lediglich wirtschaftlicher Tatbestand, der auch Schwankungen unterliegt, es ist nicht Sache des Grundbuchs, ihn zu verlautbaren. In diesem Zusammenhang muss auch die Auskunft an die Presse zur Befriedigung eines angeblich öffentlichen Interesses kritisch beurteilt werden, wenn bspw. der Kaufpreis erfragt wird, den ein Politiker für seine Immobilie angeblich bezahlt hat (§ 1 Einl. Rdn 26). Auch das Rechercheinteresse der Presse muss im Zusammenhang mit dem rechtlichen Inhalt des Grundbuchs stehen, auch wenn das Grundbuchamt nicht beurteilen darf, ob die erbetene Auskunft im Einzelfall geeignet ist, der Recherche zum Erfolg zu helfen. Es müssen aber wenigstens die Kriterien für ein öffentliches Interesse sachlich nachvollziehbar sein. Daher steht auch einem Abgeordneten des Deutschen Bundestages oder der Volksvertretung eines Landes nicht allein aufgrund der Stellung als Abgeordneter ein Anspruch auf Grundbucheinsicht zu (siehe auch Rdn 9). Die Kontrollfunktion der Parlamente gegenüber Regierung und Verwaltung kann ein öffentliches Interesse an der Grundbucheinsicht begründen, dies setzt aber voraus, dass die Grundbucheinsicht der Aufklärung von Missständen oder Fehlverhalten im Bereich der Exekutive dient und nicht lediglich allgemeinen Informationszwecken. Daher besteht kein Einsichtsrecht, wenn durch die Grundbucheinsicht die Möglichkeiten der Enteignung von Wohnungsunternehmen ermittelt werden sollen, oder wenn die Eigentumsverhältnisse religiöser Vereine ermittelt werden sollen. Das Interesse einer Personengruppe, gegen eine bestimmte Person wegen ihres Berufes vorgehen zu wollen, stellt ebenso kein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht dar. Ebenso wenig ist der Verdacht, bei der Vergabe von Grundstücksrechten (Erbbaurechten) benachteiligt worden zu sein, ein ausreichendes berechtigtes Interesse. Schließlich ist eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt nicht kraft ihrer Stellung als Anstalt des öffentlichen Rechts zur Einsicht befugt, denkbar wäre ein Einsichtsrecht als Gläubigerin im Rahmen der Zwangsvollstreckung.
Rz. 6
Das berechtigte Interesse ist darzulegen, sofern nicht eine ausdrückliche Ausnahme von der Darlegungspflicht vorliegt. Darlegen ist weniger als Glaubhaftmachung i.S.d. § 31 FamFG oder § 294 ZPO, es ist jedoch mehr als bloßes Behaupten. Gefordert wird das Vorbringen der das Interesse begründenden Tatsachen in solcher Art, dass das Grundbuchamt daraus die Überzeugung von der Berechtigung der verfolgten Interessen erlangen kann. Es müssen damit entweder Privaturkunden oder öffentliche Urkunden vorgelegt werden, aus deren Inhalt und Sachzusammenhang bei vernünftiger Betrachtung das berechtigte Interesse festgestellt werden kann, oder es muss ein Sachvortrag schlüssig und widerspruchsfrei erfolgen. Ergeben sich begründete Bedenken – nicht nur Zweifel – gegen das Bestehen eines berechtigten Interesses, so kann die Glaubhaftmachung oder der volle Nachweis verlangt werden.
Stützt der Beteiligte den Antrag auf Einsicht in verschiedene Unterlagen in den Grundakten zum Teil auf rechtliche oder wirtschaftliche, jedoch auch auf familiäre Gründe, ist es Sache des Gerichts zu unterscheiden, für welchen Teil des Einsichtsbegehrens das Grundbuchamt nach § 12 GBO zu entscheiden hat und für welchen Teil...