Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung der erheblichen Wahrscheinlichkeit eines manipulierten Unfalls

 

Leitsatz (amtlich)

Für die erforderliche Überzeugungsbildung über die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines manipulierten Unfalls kommt es nicht darauf an, dass bestimmte, nach ihrer Anzahl und/oder ihrer äusseren Erscheinungsform immer gleiche Beweisanzeichen festgestellt werden müssen; entscheidend ist vielmehr stets die Werthaltigkeit und/oder Häufung der Beweisanzeichen.

Der Beweis für einen fingierten Unfall ist geführt, wenn sich der "Unfall" als letztes Glied einer Kette gleichförmiger Geschehnisse darstellt, ohne dass sich die festgestellten Gemeinsamkeiten noch durch Zufall erklären ließen.

Die Überzeugungsbildung des Gerichts setzt keine mathematisch lückenlose Gewissheit voraus; vielmehr kann eine Häufung von Beweisanzeichen, die auf eine Manipulation hindeuten, ausreichen. Als Indiz geeignet ist in diesem Zusammenhang ein Umstand, für den es bei Annahme eines echten Unfalls entweder keine Erklärung gibt oder wenn er bei einem gestellten Unfall signifikant häufiger vorkommt als bei echten. Es kommt auch nicht darauf an, ob in diesem Sinne geeignete Indizien bei isolierter Betrachtungsweise auch unverdächtig sein können, solange ihre Häufung letztlich nicht mehr durch Zufall erklärbar ist.

Die Behauptung, eine Reparatur sei fachgerecht erfolgt, kann nicht zulässigerweise in das Wissen eines (sachverständigen) Zeugen gestellt werden.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 355/05)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Berufungskläger erhält gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit, hierzu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.

 

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

1. Die Entscheidung des LG, auf Grund einer außergewöhnlichen Häufung von Beweisanzeichen lägen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die vom Kläger geltend gemachten Schäden an seinem Fahrzeug nicht aus einem zufälligen Schadensereignis herrührten, sondern - sofern sie überhaupt auf eine Kollision mit dem bei der Beklagten zu 1. versicherten Fahrzeug stammten - auf einen geplanten Zusammenstoß zurückzuführen sind, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Eine ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen kann die Feststellung rechtfertigen, dass ein Unfall verabredet gewesen ist, wobei die erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür ausreicht (st. Rspr., vgl. nur BGHZ 71, 339; KG NZV 2003, 87; NZV 2003, 233; KGReport Berlin 2005, 851). Beweisanzeichen können sich ergeben aus Unfallhergang, Art der Schäden, fehlender Kompatibilität, Anlass der Fahrt, Art der beteiligten Fahrzeuge, persönliche Beziehungen und Vermögensverhältnissen der Beteiligten. Entscheidend ist die Gesamtschau, nicht die isolierte Würdigung der einzelnen Umstände (OLG Köln, Urt. v. 13.2.1994 - 12 U 206/93 - r + s 1994, 212).

Als Indizien für einen manipulierten Unfall sind dabei insbesondere folgende Umstände zu werten: Eine Unfallsituation, bei der der Geschädigte dem Grunde nach die volle Haftung der Gegenseite erwarten kann, die Abwesenheit unbeteiligter Zeugen, eine begrenzte Bereitschaft zur Sach-aufklärung, widersprüchliche Darstellungen zum Unfallgeschehen; ein fehlender Grund für den behaupteten Fahrfehler, ein wertloses Schädigerfahrzeug, die Beteiligung von Personen, die erfahrungsgemäß aus finanziellen Gründen leicht zur vorsätzlichen Herbeiführung von Unfällen gewonnen werden können, schneller Weiterverkauf des Schädigerfahrzeugs nach dem Unfall (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 30.11.1998 - 6 U 148/797 - DAR 1999, 404).

Für die erforderliche Überzeugungsbildung über die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines manipulierten Unfalls kommt es nicht darauf an, dass bestimmte, nach ihrer Anzahl und/oder ihrer äußeren Erscheinungsform immer gleiche Beweisanzeichen festgestellt werden müssen; entscheidend ist vielmehr stets die Werthaltigkeit der Beweisanzeichen (KG, Urteil vom 19.2.2007 - 22 U 132/06).

Der Beweis für einen fingierten Unfall ist geführt, wenn sich der "Unfall" als letztes Glied einer Kette gleichförmiger Geschehnisse darstellt, ohne dass sich die festgestellten Gemeinsamkeiten noch durch Zufall erklären ließen. Das gilt auch dann, wenn in diesem Sinne geeignete Indizien bei isolierter Betrachtung jeweils auch als unverdächtig erklärt werden könnten (OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.3.2007 - 19 U 54/06, MDR 2007, 1019).

Ist das Opferfahrzeug in erheblichem Maße vorgeschädigt, ist dies ein aussagekräftiges...

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