Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr
Normenkette
RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 29.04.2008; Aktenzeichen 27 O 431/08) |
Tenor
1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Berlin vom 23.5.2008 Geschz.: 27 O 431/08 - wird geändert und wie folgt neu gefasst:
Die nach dem Beschluss des LG Berlin vom 29.4.2008 von der Antragsgegnerin an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten werden auf 409,43 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.5.2008 festgesetzt.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdegegnerin zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 505,16 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin hatte die Antragsgegnerin vorprozessual wegen einer beanstandeten Bildberichterstattung abgemahnt. Sie ließ sich dabei von ihren späteren Prozessbevollmächtigten vertreten. Hierfür stellten die Prozessbevollmächtigten mit Honorarnote vom 20.5.2008 eine 1,5 Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 RVG-VV nach einem Gegenstandswert von 15.000 EUR in Rechnung. Allerdings rechneten sie im Hinblick auf Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 RVG-VV einen Teil der später nach Nr. 3100 RVG-VV entstandenen Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr an und machten demgemäß nur einen Teil der Geschäftsgebühr in der Honorarnote geltend. Die Antragstellerin nahm die Antragsgegnerin sodann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung der Bildberichterstattung in Anspruch. Das LG Berlin gab dem Antrag mit Beschluss vom 29.4.2008 statt, auferlegte der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens und setzte den Verfahrenswert auf 15.000 EUR fest. Ferner setzte es mit Beschluss vom 23.5.2008, der Antragsgegnerin am 3.6.2008 zugestellt, die zu erstattenden Kosten auf 914,59 EUR fest. Dieser Betrag schloss u.a. eine ungekürzte 1,3 Verfahrensgebühr der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin nach Nr. 3100 RVG-VV ein. Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer am 17.6.2008 bei Gericht eingereichten sofortigen Beschwerde. Zur Begründung macht sie geltend, die Verfahrensgebühr sei gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 RVG-VV wegen der vorprozessual entstandenen Geschäftsgebühr zu kürzen. Das LG hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 16.7.2008 nicht abgeholfen und die Sache dem KG zur Entscheidung vorgelegt.
II.1. Die sofortige Beschwerde ist nach § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 104 Abs. 3, 567 Abs. 2, 569 ZPO zulässig; über sie hat nach § 568 Satz 1 und 2 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden.
2. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, denn die von der Antragstellerin geltend gemachte Verfahrensgebühr war gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 RVG-VV um die Hälfte der angefallenen Geschäftsgebühr zu kürzen.
a) Nach Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 RVG-VV ist die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, nicht aber umgekehrt die Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr. Dies haben mehrere Senate des BGH jüngst wiederholt ausgesprochen (vgl. nur BGH NJW 2008, 1323; BGH, RVGreport 2008, 470) und der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (vgl. Senat, Beschl. vom 11.12.2008 - 2 W 222/08). Zur Begründung ist im Wesentlichen auf den insofern eindeutigen Wortlaut der Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 RVG-VV zu verweisen.
b) Die Geschäftsgebühr ist i.H.v. 1,5 Gebühreneinheiten, d.h. i.H.v. 1.013,31 EUR - einschl. 19 % Mehrwertsteuer, entstanden. Denn durch Vorlage der Honorarnote vom 20.5.2008 ist hinreichend nachgewiesen, dass die Antragstellerin die Prozessbevollmächtigten für ihr vorprozessuales Vorgehen in dem erforderlichem Umfange beauftragt hatte. Ferner ist die Geschäftsgebühr in der genannten Höhe gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 RVG-VV anrechnungsfähig. Denn nach dieser Vorschrift ist ausreichend, dass der Anspruch auf die Geschäftsgebühr entstanden ist. Ob die Prozessbevollmächtigten die Geschäftsgebühr - vollständig - in ihrer Honorarnote geltend machen, ist ohne Belang.
c) Schließlich hat die Anrechnung auch nicht aus dem vom LG angeführten Grund zu unterbleiben, wonach das vorprozessuale Tätigwerden auf die Bereinigung der Hauptsache bezogen sei weshalb die Geschäftsgebühr allenfalls auf eine im Hauptsacherechtstreit entstandenen Gebühr anzurechnen sei, nicht aber auf eine im einstweiligen Rechtsschutzverfahren entstandenen Gebühr. Dies hat der Senat ebenfalls bereits entschieden (Senat, Beschl. vom 11.12.2008 - 2 W 222/08). Denn die vorprozessuale Abmahnung und das Verfügungsverfahren haben denselben Gegenstand im Sinne des Gebührenrechts (ebenso OLG München WRP 1982, 542, zu § 118 Abs. 2 BRAGO). Zwar hat die Abmahnung die Funktion, eine Streitbeilegung in der Hauptsache ohne Inanspruchnahme der Gerichte zu erreichen. Sie soll aber zugleich die Möglichkeit ausschließen, dass der Gegner den gerichtlich geltend gemachten Anspruch mit der Kostenfolge des § 93 ZPO anerkennt (BGH, Beschl. v. 6.12.2007 - I ZB 16/...