Normenkette
ZPO §§ 91, § 103 ff.; RVG-VV § 2 Abs. 2; RVG-VV Anl. 1 Teil 3; RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 28.07.2008; Aktenzeichen 27 O 592/08) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Berlin vom 28.7.2008 - 27 O 592/08 - abgeändert:
Die nach dem Beschluss des LG Berlin vom 5.6.2008 - 27 O 592/08 - von der Antragsgegnerin an den Antragsteller zu erstattenden Kosten werden auf 349,58 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.6.2008 festgesetzt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Gegenstandswert wird auf 433,75 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller nahm die Antragsgegnerin auf Unterlassung einer Bildberichterstattung in Anspruch. Das LG Berlin gab dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 5.6.2008 statt und auferlegte der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens.
Auf das Gesuch des Antragstellers hat das LG Berlin die zu erstattenden Kosten mit dem angefochtenen Beschluss auf 783,33 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie geltend macht, dass die vorprozessual entstandene 1,5-fache Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sei.
II. Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist als sofortige Beschwerde zulässig. In der Sache hat es auch Erfolg, denn die von dem Antragsteller geltend gemachte Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV war anteilig um die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV zu kürzen.
Entgegen der im Beschwerdeverfahren geäußerten Auffassung des Antragstellers ist die sofortige Beschwerde nicht deshalb unzulässig, weil das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Zwar kann die gebotene Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren vom Gegner als Einwand geltend gemacht werden. In der Sache ist es aber so, dass beim Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Anrechnung die Verfahrensgebühr bereits in ihrer Entstehung um den in Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV (im Folgenden: Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV) beschriebenen Teil der vorprozessual verdienten Gebühr gekürzt ist (BGH, Beschl. v. 22.1.2008 - VIII ZB 57/07 - Rz. 8 des juris-Ausdruckes, NJW 2008, 1323). Der ggf. auch erst im Beschwerdeverfahren geltend gemachte Anrechnungseinwand zielt damit nur darauf ab, dass die vom Antragsteller des Kostenfestsetzungsverfahrens angemeldeten Gebühren in der Höhe festgesetzt werden, in der sie tatsächlich entstanden sind. Hierauf hat der Festsetzungsgegner unabhängig davon einen Anspruch, ob dem Antragsteller unter Umständen ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Erstattung der gesamten Geschäftsgebühr zusteht. Damit steht dem Festsetzungsgegner aber auch das für die Beschwerde erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zur Seite.
Die Geschäftsgebühr war auf die Verfahrensgebühr anteilig anzurechnen. Die Frage, wie die Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV in der Praxis im Einzelnen zu handhaben ist, war in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Der BGH hat in seinem Beschl. v. 22.1.2008 - VIII ZB 57/07 - (NJW 2008, 1323) zu den Streitfragen umfassend Stellung genommen. Danach ist die Vorschrift Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV so zu verstehen, dass eine entstandene Geschäftsgebühr unter der Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist. Durch diese Anrechnung verringert sich die erst später nach Nr. 3100 RVG-VV angefallene Verfahrensgebühr, während die zuvor bereits entstandene Geschäftsgebühr von der Anrechnung unangetastet bleibt. Dieses folgt unmittelbar aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Anrechnungsvorschrift. Dabei ist es gleichgültig, ob die vom Prozessgegner ggf. auf materiell-rechtlicher Grundlage zu erstattende Geschäftsgebühr unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder sogar schon beglichen ist. Insbesondere ist die Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV unmittelbar im Kostenfestsetzungsverfahren zu beachten und anzuwenden.
Dieser Rechtsauffassung hat sich der Senat in Abweichung von seiner früheren Rechtsprechung angeschlossen und nimmt für die weitere Begründung dieser Rechtsauffassung auf den zitierten Beschluss des BGH Bezug. Inzwischen haben sich dieser Rechtsauffassung der 3. Zivilsenat (Beschl. v. 30.4.2008 - III ZB 8/08, MDR 2008, 886), der 6. Zivilsenat (Beschl. v. 3.6.2008 - VI ZB 55/07) und der 4. Zivilsenat (Beschl. v. 16.7.2008 - IV ZB 24/07) des BGH angeschlossen. Der 8. Zivilsenat hat seine Auffassung in einem weiteren Beschluss (3.6.2008 - VIII ZB 3/08) bekräftigt. Maßgebend ist dabei, dass § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO, auf den allein abzustellen ist, für eine Kostenerstattung an die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts und darüber unmittelbar an die Anrechnungsbestimmung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 RVG-VV anknüpft, so dass die...