Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 03.02.2022; Aktenzeichen 32 O 134/21) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 03. Februar 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin (Az. 32 O 134/21) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die angefochtene Entscheidung ist fortan ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 13.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend aufgrund eines am 14. März 2015 bei einem Dritten als Gebrauchtfahrzeug (Laufleistung 22.222 km) zum Kaufpreis von 25.915,00 EUR erworbenen PKW BMW X1 xDrive mit einem Motor vom Typ N47 (Euro 5), der nach dem Klagevortrag beklagtenseits in vorsätzlich sittenwidriger Weise mit mehreren unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen in den Verkehr gebracht worden sei.
Die Klägerin verkaufte das Fahrzeug am 24. Juli 2019 bei einem Km-Stand von 99.000 km zu einem Preis von 8.250,00 EUR an einen Dritten.
Das Landgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen allein denkbarer deliktischer Anspruchsgrundlagen lägen nicht vor. Insbesondere habe die Klägerin nicht schlüssig dargetan, dass die Beklagte sie in sittenwidriger Weise vorsätzlich geschädigt habe (§ 826 BGB), zumal einem Schadenseintritt bereits entgegenstehe, dass nicht erkennbar oder dargetan sei, dass das Kraftfahrtbundesamt beabsichtigt habe, eine Nutzungsuntersagung auszusprechen. Für die verschiedenen klägerseits thematisierten "Abschalteinrichtungen" fehle es über die bloße Behauptung hinaus jeweils an greifbaren Anhaltspunkten.
Soweit der verfahrensgegenständliche Motor N47 mit einer spezifischen Software-Konfiguration (sog. "Hard-Cycle-Beating") vermeintlich vergleichbar dem Motor EA189 des Volkswagen-Konzerns versehen worden sein solle, sei das Vorhandensein einer solchen Prüfstandserkennung sowie einer vermeintlichen Vergleichbarkeit jeweils nicht mit Tatsachenvortrag unterlegt. Die Beklagte unterliege als Herstellerin (auch) von Dieselfahrzeugen keinem Generalverdacht einer Manipulation.
Die Klägerin könne die Behauptung unzulässiger Abschalteinrichtungen jedoch nicht allein mit der Abweichung von Messwerten auf dem Prüfstand im Verhältnis zu Messergebnissen im normalen Straßenverkehr begründen. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei unstreitig keinem amtlichen Rückruf unterworfen; der in Bezug genommene Rückruf vom 03. April 2018 habe sich auf andere Fahrzeugtypen sowie andere Motoren ("N57") bezogen.
Die beklagtenseits eingeräumte temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung (sog. Thermofenster) begründe auch bei Annahme einer unzulässigen Abschalteinrichtung keine Anhaltspunkte für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Beklagten, zumal eine möglicherweise falsche, aber vertretbare Gesetzesauslegung durch die zuständigen Organe der Beklagten in Betracht zu ziehen sei. Hinsichtlich des Bewusstseins rechtswidrigen Handelns fehle es hierbei an substantiiertem Vortrag der Klägerin.
Auf eine Manipulation des On-Board-Diagnose-Systems (OBD) könne die Klägerin ihren Anspruch ebenfalls nicht stützen, zumal eine Täuschung der Genehmigungsbehörde nicht ersichtlich sei. Das Kraftfahrtbundesamt habe die Funktionalität ersichtlich nicht beanstandet. Soweit die Klägerin eine Genehmigung durch die irische Genehmigungsbehörde NSAI vorgetragen habe, sei die bloße Behauptung einer unzureichenden Offenlegung ersichtlich ins Blaue hinein erfolgt. Dass das OBD den Einsatz des Thermofensters nicht als Fehler anzeige, sei insoweit hinzunehmen.
Schließlich rechtfertige auch die klägerseits als "Kaltaufheizen" bezeichnete Funktionalität die Annahme vorsätzlich sittenwidrigen Agierens nicht, zumal diese nach dem Klagevortrag nur bei Motoren der Baureihen B37 und B47 festgestellt worden sei, mithin gerade nicht beim verfahrensgegenständlichen Typ N47. Für die Annahme einer Vergleichbarkeit sei nichts vorgetragen. Ohnehin komme es auch im Realbetrieb zu Kaltstartphasen.
Hinsichtlich des ergänzend geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung von Deliktszinsen stehe der Klägerin ein solcher nach der Rechtsprechung des BGH bereits aus Rechtsgründen nicht zu.
Gegen dieses ihr am 04. Februar 2022 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung vom 21. Februar 2022.
Die Klägerin rügt die angefochtene Entscheidung als rechtsfehlerhaft.
Das Landgericht habe die Rechtsprechung des BGH zur Frage der Darlegungslast des Herstellers in Bezug auf den Vorsatz einer sittenwidrigen Schädigung verkannt, weil der BGH insoweit Ausführungen des Herstellers dazu verlange, wie in der Typgenehmigung die Abschalteinrichtungen genannt und dargestellt worden seien. Ferner seien erhöhte Messwerte des getesteten Fahrzeugs / Motors außerhalb des NEFZ ein hinreichender Anhaltspunkt für eine unzulässige Abschalteinrichtung. Die Klagepartei habe ausreichende Anhaltspunkte für vorsätzlich sittenwidriges Agieren der Beklagten dargetan.
Insoweit sei das Vorliegen einer unzul...