Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 26.01.2022; Aktenzeichen 22 O 147/21) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 26. Januar 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin (Az. 22 O 147/21) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die angefochtene Entscheidung ist fortan ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 35.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend aufgrund eines am 08. Oktober 2019 bei einem Dritten als Gebrauchtfahrzeug (Laufleistung 56.442 km) zum Kaufpreis von 34.315,00 EUR erworbenen PKW BMW X5 xDrive (Erstzulassung Juni 2015) mit einem Motor vom Typ N57 (Euro 6), der nach dem Klagevortrag beklagtenseits in vorsätzlich sittenwidriger Weise mit mehreren unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen in den Verkehr gebracht worden sei.
Das Landgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen allein denkbarer deliktischer Anspruchsgrundlagen lägen nicht vor. Die Implementierung des Thermofensters rechtfertige den Vorwurf vorsätzlich sittenwidrigen Verhaltens nicht, zumal zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe die Frage der Zulässigkeit einer solchen Konfiguration noch umstritten und diese allgemein üblich gewesen sei.
Auf eine Manipulation des On-Board-Diagnose-Systems (OBD) könne der Kläger seinen Anspruch nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH auch zu Fahrzeugen der Beklagten ebenfalls nicht stützen.
Für die verschiedenen weiteren klägerseits thematisierten "Abschalteinrichtungen" fehle es über die bloße Behauptung hinaus jeweils an greifbaren Anhaltspunkten. Der Kläger könne die Behauptung unzulässiger Abschalteinrichtungen insbesondere nicht allein mit der Abweichung von Messwerten auf dem Prüfstand im Verhältnis zu Messergebnissen im normalen Straßenverkehr begründen.
Der Vorwurf einer unzureichenden Dosierung von AdBlue greife nicht durch, weil die Hersteller insoweit keinen bindenden Mengenvorgaben unterworfen seien, so dass nicht erkennbar sei, auf welcher Basis die Entscheidungsträger der Beklagten ein erforderliches Bewusstsein des vermeintlichen Gesetzesverstoßes gehabt haben sollten. Zudem sei der Kläger dem Einwand der Beklagten, die Reduktion beruhe auf dem gleichzeitigen Verbau eines NOx-Speicherkatalysators, wodurch sich die erforderliche AdBlue-Menge reduziere, nicht entgegengetreten.
Soweit der verfahrensgegenständliche Motor N57 nach dem Klagevortrag eine spezifische Software-Konfiguration (sog. "Hard-Cycle-Beating") aufweisen soll, sei das Vorhandensein einer solchen Prüfstandserkennung nicht schlüssig vorgetragen. Das System arbeite ersichtlich auf dem Prüfstand und der Straße identisch; der Umstand, dass bei höherem Leistungsabruf eine geringere Effektivität der Abgasreinigung erfolge, liege in der Natur der Sache. Hinsichtlich des Täuschungsvorwurfs bleibe im Klagevortrag schon offen, welche Behörde beklagtenseits getäuscht worden sein soll.
Schließlich rechtfertige auch die klägerseits als "Kaltaufheizen" bezeichnete Funktionalität die Annahme vorsätzlich sittenwidrigen Agierens nicht, zumal diese nach dem Klagevortrag nur bei den leistungsschwächeren Motoren der Baureihen B37 und B47 festgestellt worden sei, mithin gerade nicht beim verfahrensgegenständlichen Sechszylinder-Motor Typ N57. Für die Annahme einer Vergleichbarkeit sei nichts vorgetragen.
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB komme beim Gebrauchtwagenkauf ohnehin nicht in Betracht. Die klägerseits benannten Zulassungsvorschriften seien keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.
Gegen dieses ihm am 01. März 2022 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 18. März 2022.
Der Kläger rügt die angefochtene Entscheidung als rechtsfehlerhaft.
Das Landgericht habe die Rechtsprechung des BGH zur Frage der Darlegungslast des Herstellers in Bezug auf den Vorsatz einer sittenwidrigen Schädigung verkannt, weil der BGH insoweit Ausführungen des Herstellers dazu verlange, wie in der Typgenehmigung die Abschalteinrichtungen genannt und dargestellt worden seien. Ferner seien erhöhte Messwerte des getesteten Fahrzeugs / Motors außerhalb des NEFZ ein hinreichender Anhaltspunkt für eine unzulässige Abschalteinrichtung. Die Klagepartei habe ausreichende Anhaltspunkte für vorsätzlich sittenwidriges Agieren der Beklagten dargetan.
Insoweit sei das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bereits durch den Umstand belegt, dass beim Straßenbetrieb der Fahrzeuge massive Überschreitungen der Grenzwerte festzustellen seien, was sich auch aus den Überprüfungen des Umweltbundesamtes, der Deutschen Umwelthilfe sowie weiterer Stellen, letztlich ...