Leitsatz (amtlich)
1. Steht fest, dass der Kläger unfallbedingt eine HWS-Verletzung erlitten hat, ist die streitige Frage, ob der Unfall auch für den diagnostizierten Bandscheibenvorfall ursächlich ist, nach § 287 ZPO zu beurteilen.
2. Die nach § 287 ZPO erforderliche erhebliche Wahrscheinlichkeit der Unfallursächlichkeit der Verletzung kann dann nicht festgestellt werden, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass sich die Beschwerden schicksalhaft entwickelt haben; in einem solchen Fall reicht allein die zeitliche Nähe zwischen Unfall und Entstehung der Beschwerden nicht aus.
3. Das Gericht ist nicht gehalten, auf Antrag des Klägers dessen behandelnde Ärzte als sachverständige Zeugen über die Unfallursächlichkeit der Beschwerden zu hören, wenn der Kläger nicht darlegt, diese hätten insoweit objektivierbare Befunde erhoben.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 17 O 365/06) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Gründe
I. Der Kläger macht gegenüber den Beklagten weitere Ansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 10.7.2003 auf der Kreuzung Simon-Bolivar-Straße/Küstriner Straße in Berlin-Lichtenberg geltend. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte zu 1) den Unfall allein verursacht hat. Dementsprechend ersetzte die Beklagte zu 2), bei der das Fahrzeug der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert war, den dem Kläger durch den Unfall entstandenen materiellen Schaden und zahlte ein Schmerzensgeld i.H.v. 500 EUR.
Der Kläger begehrt ein weiteres Schmerzensgeld, dessen Höhe er mit 2.100 EUR für angemessen erachtet, den Ersatz vorprozessualer Anwaltskosten, den Ersatz von Aufwendungen für Computerakkupunktur i.H.v. 450 EUR sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für zukünftige materielle und immaterielle Schäden des Klägers aus dem streitgegenständlichen Unfall. Er behauptet, der bei ihm im Jahr 2004 diagnostizierte Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule C5/C6 sei auf den Unfall zurückzuführen.
Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme (Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. W) abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger durch den Unfall allenfalls so leicht verletzt worden sei, dass das von der Beklagten zu 2) gezahlte Schmerzensgeld ausreichend sei. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W habe der Kläger durch den Verkehrsunfall weder eine Bandscheibenruptur noch eine HWS-Distorsion erlitten.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung stützt der Kläger im Wesentlichen darauf, dass das LG zu Unrecht die Anwendung von § 286 ZPO bezüglich der Kausalität des Unfalls für den Bandscheibenvorfall angenommen habe, obwohl feststehe, dass der Kläger eine HWS-Verletzung erlitten habe mit der Folge, dass die Beweiserleichterung des § 287 ZPO eingreifen würde. Zudem habe das LG nicht gewürdigt, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass die vom Kläger geschilderten Beschwerden auf den Unfall zurückzuführen seien. Insoweit habe er erstinstanzlich Beweis durch Vernehmung der Fachärztin Dr. Ö angeboten. Diesem Beweisangebot sei das LG fehlerhaft nicht nachgegangen. Die Beweisfrage habe sich nicht auf das HWS-Schleudertrauma bezogen, das von den Beklagten nicht bestritten worden sei. Weder der Arztbericht von Herrn Dr. B vom 6.8.2003 noch der Arztbericht von Frau Dr. Ö seien vom LG berücksichtigt worden. Die Zweifel des Prof. Dr. W an der Ursächlichkeit des Unfalls hätten durch Vernehmung der als Zeugen benannten Ärzte ausgeräumt werden können. Selbst wenn lediglich von einem HWS-Schleudertrauma ausgegangen werden würde, wäre das Schmerzensgeld von 500 EUR deutlich zu niedrig. Es hätte berücksichtigt werden müssen, dass der Kläger bereits eine vorgeschädigte Wirbelsäule gehabt, vor dem Unfall jedoch nie über Schmerzen im Hals- und Nackenbereich geklagt habe.
II. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beides ist nicht der Fall.
1. Ein weitergehender Schmerzensgeldanspruch steht dem Kläger aus dem Unfall vom 10.7.2003 nach §§ 7 Abs. 1, 11 Satz 2 StVG, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB, 3 Nr. 1 PflVG nicht zu. Im Ergebnis zutreffend hat das LG das bislang von der Beklagten zu 2) an den Kläger gezahlte Schmerzensgeld i.H.v. 500 EUR für ausreichend angesehen.
Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserh...