Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbausschlagung: Anfechtbarkeit der Unterlassung der Einreichung des gerichtlichen Genehmigungbeschlusses zur Erbausschlagung innerhalb der Ausschlagungsfrist
Verfahrensgang
AG Berlin-Neukölln (Beschluss vom 22.07.2015) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des AG Neukölln - Nachlassgericht - vom 22.7.2015 wird auf seine Kosten bei einem Beschwerdewert bis zu 500,-- Euro zurückgewiesen.
Gründe
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Unterlassen der Einreichung des Genehmigungsbeschlusses innerhalb der Ausschlagungsfrist kann nicht angefochten werden, da es sich hierbei weder um eine tatsächliche noch um eine fingierte Willenserklärung handelt. Auch eine analoge Anwendung der Bestimmungen in §§ 1956, 1955, 1945 BGB kommt nicht in Betracht. Denn mit der Vorschrift des § 1956 BGB hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass er in §§ 1943, 1944 BGB eine Fiktion der Annahme der Erbschaft allein durch Versäumung der sechswöchigen Ausschlagungsfrist geschaffen hat, die mit der Kenntnis von dem Erbfall und dem Grunde der Berufung zu laufen beginnt, so dass die Irrtumsanfechtung auch zuzulassen ist, wenn der Erbe oder sein Vertreter eine Annahmeerklärung in Wirklichkeit nicht hat abgeben wollen, weil er über den Lauf der Frist oder die Rechtsfolgen ihres Ablaufs in Unkenntnis gewesen ist oder geglaubt hat, eine rechtswirksame Ausschlagungserklärung bereits abgegeben zu haben. Zu dem Nachweis des Irrtums muss aber weiter treten, dass der Irrtum - Tatsachen - oder Rechtsirrtum - in dem sich der Erbe befunden hat, für die Unterlassung der Ausschlagung (und damit für die Annahme durch Fiktion) der Erbschaft ursächlich gewesen ist (RGZ 143, 419 ff.).
Hier ist jedoch keine Annahme durch Versäumung der Ausschlagungsfrist erfolgt, sondern durch die Beantragung des Erbscheins. Der Beteiligte zu 1), vertreten durch seinen Betreuer, befand sich auch nicht in einem Irrtum über den Lauf der Ausschlagungsfrist ab der Kenntnis von einer weiter gehenden Forderung gegen den Nachlass, die diesen zur Überschuldung führte und die Anfechtung der Annahme wegen eines Eigenschaftsirrtums gemäß § 119 Abs. 2 BGB gerechtfertigt hätte. Die Frist für die Ausschlagung wäre hier durch die Ausschlagungserklärung vom 9.1.2015 auch ohne weiteres gewahrt gewesen, wenn sie für ihre Wirksamkeit nicht der Genehmigung gemäß §§ 1908i Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. §§ 1822 Nr. 2, 1828, 1831 BGB bedurft hätte.
Im Hinblick darauf, dass der Ausschlagende die Dauer des gerichtlichen Genehmigungsverfahrens nicht beeinflussen kann und die Ausschlagungsfrist von sechs Wochen bei Einholung einer vorherigen Genehmigung oft nicht gewahrt wäre, kann zwar aufgrund einschränkender Auslegung der Vorschrift des § 1831 S. 1 BGB, die bei einseitigen Rechtsgeschäften eine vorgängige Genehmigung fordert, die Einholung der Genehmigung der Ausschlagung bei rechtzeitigem Antrag innerhalb der Ausschlagungsfrist nachgeholt werden (RGZ 118,145; OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.4.2014 - 3 W 13/14, FamRZ 2015, 696; Palandt-Götz, BGB, 74. Auflage, § 1831 Rn. 2) mit der Folge, dass die Ausschlagungsfrist in der Zeit von der Beantragung der Genehmigung bis zu ihrer Erteilung gemäß § 1944 Abs. 2 S. 3 BGB i.V.m. § 206 BGB gehemmt ist (OLG Brandenburg a.a.O.). Innerhalb der nach Zustellung des rechtskräftigen Genehmigungsbeschlusses weiterlaufenden Ausschlagungsfrist hat der Ausschlagende dem Nachlassgericht jedoch die Genehmigung nachzuweisen (RGZ a.a.O.; OLG Brandenburg a.a.O. Rz. 14), da bei fristgebundenen Erklärungen die Genehmigung innerhalb der Frist mitgeteilt worden sein muss, anderenfalls bleibt der Ausschlagungserklärung die Wirkung versagt (vgl. Palandt-Götz a.a.O. § 1828 Rn. 4). Nur so wird entsprechend dem gesetzgeberischen Zweck der Fristbestimmung für die Ausschlagung der Erbschaft der bis dahin bestehenden Ungewissheit innerhalb der bestehenden Zeit ein Ende bereitet. Denn das Nachlassgericht wird erst durch diesen Nachweis in den Stand versetzt, die Erbschaftsausschlagung gemäß § 1953 Abs. 3 BGB demjenigen mitzuteilen, dem die Erbschaft infolge der Ausschlagung angefallen ist und damit die Ausschlagungsfrist gemäß § 1944 Abs. 2 BGB ihm gegenüber in Gang zu setzen (RGZ a.a.O.; OLG Brandenburg a.a.O.).
An der Unwirksamkeit der Ausschlagungserklärung mangels Einreichung des Genehmigungsbeschlusses innerhalb der Ausschlagungsfrist vermag der Umstand, dass das Nachlassgericht den Beteiligten zu 1) zwar auf das Einreichungserfordernis, nicht aber zugleich auf die Fristgebundenheit hingewiesen hat, nichts zu ändern. Denn nicht jede auf einem Rechtsirrtum über einen Fristlauf beruhende Nachlässigkeit begründet ein Bedürfnis, die Rechtsfolge der Fristversäumnis durch die Möglichkeit der Anfechtung der Fristversäumnis zu beseitigen. So reicht es auch für die erfolgreiche Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist des § 1956 BGB nicht, dass der Anfechtende nur die Anfechtungsmögl...