Leitsatz (amtlich)
Das Verschlechterungsverbot gilt bei Berufung des Angeklagten auch für die Höhe der Raten, es sei denn, es liegen neue Tatsachen im Sinne des § 459a Abs. 2 Satz 2 StPO vor.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 15.07.2020; Aktenzeichen (562) 285 AR 131/19 Ns (32/19)) |
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 28.02.2019) |
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. Juli 2020 wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet mit der Maßgabe verworfen, dass dem Angeklagten gestattet wird, die Geldstrafe in monatlichen Teilbeträgen von 100 (einhundert) Euro, fällig jeweils am 1. eines Monats, beginnend mit dem auf die Bekanntgabe dieser Entscheidung folgenden Monat zu zahlen.
Diese Vergünstigung entfällt, wenn der Angeklagte schuldhaft mit der Zahlung für mehr als einen Monat in Verzug geraten ist.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten am 28. Februar 2019 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt und ihm gestattet, die Geldstrafe in monatlichen Raten von 100 Euro, fällig jeweils am 1. eines Monats, zu zahlen. Die unbeschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Berlin mit der angefochtenen Entscheidung verworfen. Das Landgericht hat dem Angeklagten nachgelassen, die Geldstrafe in monatlichen Raten zu je 200 Euro, beginnend mit dem auf die Rechtskraft der Entscheidung folgenden Monat, zu zahlen.
1. Die mit der Revision erhobenen Sach- und Verfahrensrügen des Angeklagten sind aus den Gründen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Berlin im Wesentlichen offensichtlich unbegründet. Der Schriftsatz des Verteidigers vom 2. Februar 2021 lag vor.
Allerdings verstößt die von der Strafkammer vorgenommene Erhöhung der dem Angeklagten gestatteten monatlichen Ratenzahlungen auf 200 Euro gegenüber der erstinstanzlich festgesetzten Rate von 100 Euro gegen das Verschlechterungsverbot im Sinne des § 331 Abs. 1 StPO.
Das in den §§ 331 Abs. 1, 358 Abs. 2 Satz 1 StPO für das Rechtsmittelverfahren und in § 373 Abs. 2 Satz 1 StPO für die Wiederaufnahme normierte Verbot der Verschlechterung gewährleistet, dass der Angeklagte bei seiner Entscheidung, ob er von einem ihm zustehenden Rechtsmittel bzw. einem Wiederaufnahmeantrag Gebrauch machen will, nicht durch die Besorgnis beeinträchtigt wird, es könne ihm durch die Einlegung ein Nachteil erwachsen (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2019 - 5 StR 387/18 -, juris m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 63. Aufl., § 331 Rn. 1 m.w.N).
Das Verschlechterungsverbot gilt nach seinem Wortlaut grundsätzlich für alle Rechtsfolgen der Tat in Art und Höhe. Durchbrochen wird es aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen (§ 331 Abs. 2, § 358 Abs. 2 Satz 2, § 373 Abs. 2 Satz 2 StPO) nur für die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus und in der Entziehungsanstalt.
Grundsätzlich nehmen auch die vom erstinstanzlichen Gericht nach § 42 StGB bewilligte Zahlungserleichterungen am Verschlechterungsverbot teil (vgl. KG, Beschlüsse vom 4. April 2018 - (5) 121 Ss 44/18 (26/18) - und 15. April 2015 - (2) 161 Ss 72/15 (23/15) -; OLG Hamburg MDR 1986, 517; Frisch in SK, StPO 5. Aufl., § 331 Rn. 48; Gössel in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 331 Rn. 46 m.w.N.).
Die Gegenansicht, wonach Zahlungserleichterungen uneingeschränkt zum Nachteil des Angeklagten geändert werden dürfen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O, § 331 Rn. 6; Beukelmann in Radtke/Hohmann, StPO, § 331 Rn. 4; Grube in Leipziger Kommentar, StGB 13. Aufl., § 42 Rn. 23; Albrecht in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB 5. Aufl., § 42 Rn. 10), übersieht, dass Zahlungserleichterungen in der Urteilsformel festzulegen sind und die Schlechterstellung des Angeklagten hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten einer Geldstrafe zweifellos die Höhe der Rechtsfolgen der Tat im Sinne des § 331 Abs. 1 StPO tangiert (vgl. OLG Hamburg a.a.O.; Paul in KK, StPO 8. Aufl., § 331 Rn. 4).
Der in § 331 Abs. 1 StPO verwendete Begriff der "Höhe der Rechtsfolgen" kann allerdings nicht isoliert auf Entscheidungen nach § 42 StGB bezogen werden in dem Sinne, dass die vom Erstrichter festgesetzte Geldstrafe nicht nur ihrer Gesamthöhe nach, sondern auch als "Monatsrate" für das Rechtsmittelgericht als Obergrenze festgeschrieben wäre (vgl. OLG Schleswig NJW 1980, 1535). Denn nach § 459a Abs. 2 Satz 2 StPO ist es sogar der Vollstreckungsbehörde möglich, bei Vorliegen neuer Tatsachen eine rechtskräftige Entscheidung nach § 42 StGB zum Nachteil des Verurteilten nachträglich zu ändern oder aufzuheben. Demzufolge kann es auch dem Berufungsgericht nicht stets verboten sein, die vom Erstgericht festgesetzte Ratenhöhe zum Nachteil des Angeklagten zu verändern oder eine Ratenzahlungsbewilligung ganz zu versagen (vgl. OLG Schleswig a.a.O.), nämlich dann nicht, wenn die Voraussetzungen des § 459a Abs. 2 Satz 2 StPO vorliegen (vgl. KG, Beschlüsse vom 4. April 2018 und 15. April 201...