Rechtsausschuss des Bundestages beschließt Reform des strafrechtlichen Sanktionsrechts
Bundesjustizminister Marco Buschmann hatte sich bereits Ende 2022 mit seinen Plänen zur Reform des strafrechtlichen Sanktionenrechts durchgesetzt. Mit der Reform soll die Haftzeit für Delinquenten, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, halbiert und die Zahl derer, die die Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit tilgen, erhöht werden. Außerdem werden künftig geschlechtsspezifische und gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Beweggründe bei der Strafzumessung strafverschärfend berücksichtigt. Daneben sind Modifikationen des Maßregelrechts vorgesehen.
Die Änderungen im Einzelnen
Konkret sieht der nun beschlossene Gesetzentwurf folgende Änderungen der bestehenden rechtlichen Regelungen vor:
Halbierung des Umrechnungsmaßstabs für die Ersatzfreiheitsstrafe
Mit der Reform soll die Verbüßung von Gefängnishaft als Ersatz für nicht beglichene Geldstrafen deutlich zurückgedrängt werden.
- Gemäß § 43 StGB-E wird der Umrechnungsmaßstab von Geldstrafen in eine Ersatzfreiheitsstrafe halbiert, sodass künftig 2 Tagessätze einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen.
- Durch eine Erweiterung von § 459e Abs. 2 StPO um eine neue Hinweispflicht wird die Strafvollstreckungsbehörde verpflichtet, die zu einer Geldstrafe verurteilte Person auf mögliche Zahlungserleichterungen gemäß § 459a StPO sowie
- auf die Möglichkeit aufmerksam zu machen, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freiwillige Arbeitsstunden abzuwenden.
- Flankierend soll die Gerichtshilfe und gegebenenfalls die Straffälligenhilfe zur Förderung dieser Optionen eingeschaltet werden.
Deutliche Reduzierung der Haftkosten
Die Halbierung der Haftstrafen kommt nicht nur den Betroffenen, sondern auch dem Staat zugute, denn eine Halbierung der Haft bedeutet auch eine Halbierung der nicht geringen Haftkosten. Am preiswertesten wird es für den Staat, wenn der Betroffene statt der Ersatzfreiheitsstrafe die Option der Ableistung gemeinnütziger Arbeit wählt. Auch hier soll der Umrechnungsmodus 1/2 lauten, d.h. für einen Tagessatz wäre ein halber Tag gemeinnütziger Arbeit zu leisten.
Erweiterung der Strafzumessungsgründe
Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB-E werden die bisherigen Strafzumessungsgründe um „geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Beweggründe“ ergänzt. Damit wird die bereits bisher geltende Rechtsprechung, wonach Hass gegen Frauen sowie gegen LSBTI-Personen sich als Tatmotive strafschärfend auswirken, durch eine ausdrückliche Kodifizierung gesetzlich vorgegeben. Unter die Neuregelung sollen auch Fälle zu subsumieren sein, in denen sich der Täter von Vorstellungen geschlechtsbezogener Ungleichwertigkeit leiten lässt. Auf Vorschlag des Bundesrates wurde der bisherige Gesetzentwurf durch eine Ergänzung in § 5 StGB insoweit ausgeweitet, als für diese Taten nicht nur Personen belangt werden können, die zum Tatzeitpunkt Deutsche sind, sondern künftig auf solche Personen, die ihre Lebensgrundlage in Deutschland haben.
Modifikationen des Auflagen- und Weisungsrechts
In den Katalog der Weisungen im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56c Abs. 2 StGB, im Rahmen einer Verwarnung mit Strafvorbehalt gemäß § 59 a Abs. 2 StGB sowie bei vorläufigem Absehen von der Strafverfolgung gemäß § 153 a Abs. 1 Satz 2 StPO (Geringfügigkeit) wird nun ausdrücklich die Möglichkeit einer Therapieweisung dahingehend aufgenommen, dass der Betroffene sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat. Die Verwarnung mit Strafvorbehalt gemäß § 59a StGB wird um die Möglichkeit der Weisung zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen erweitert.
Die Unterbringung in Entziehungsanstalten wird enger gefasst
Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB wird auf Personen beschränkt, bei denen aufgrund ihres übermäßigen Rauschmittelkonsums die Gefahr der Begehung erheblicher Straftaten besteht. Flankierend wird die zeitnahe Rücküberstellung von Personen in den Strafvollzug gestärkt, bei denen feststeht, dass die Behandlung erfolglos war oder ist. Hierzu sind verschiedene Änderungen des StGB und der StPO vorgesehen. Mit diesen Modifikationen soll die seit Jahren erheblich ansteigende Zahl der Unterbringungen in Entziehungsanstalten reduziert werden. Künftig werden nur noch diejenigen Personen eingewiesen, bei denen eine positive Behandlungsprognose besteht.
Reform des Straftatbestandes der Leistungserschleichung soll später folgen
Auch eine Änderung des materiellen Strafrechts ist geplant. Die Ampelkoalition hat eine Überarbeitung des Straftatbestandes der Leistungserschleichung, § 265a StGB, in Aussicht gestellt, die fällige Reform allerdings auf später verschoben. Eine der diskutierten Optionen ist die Herabstufung zu einer Ordnungswidrigkeit. Damit könnten Bußgelder verhängt werden, die in der Regel deutlich geringer als Strafzahlungen ausfallen und auch von finanziell schlechter gestellten Menschen leichter aufzubringen wären.
Kritik des DAV
Dem DAV gehen die Reformen insgesamt nicht weit genug. Er kritisiert vor allem die Ersatzfreiheitsstrafe als nicht mehr zeitgemäß. In der Praxis führe die Ersatzfreiheitsstrafe regelmäßig zur Inhaftierung von Menschen mit psychischen Problemen, mit Suchtkonflikten sowie von Menschen in finanzieller Not. Das Strafrecht dürfe nicht dazu dienen, Armut und soziale Ausgrenzung zu vertiefen. Die Ersatzfreiheitsstrafe gehöre deshalb abgeschafft. Die Justiz befürchtet demgegenüber bei einer vollständigen Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe einen deutlichen Bedeutungs- und Wirkungsverlust von Geldstrafen.
Reform soll umgehend umgesetzt werden
Mit dem nunmehr vom Rechtsausschuss gefassten Beschluss dürfte der Weg für die Umsetzung der Reform endgültig frei sein. Nach den Plänen des Bundesjustizministers soll die Reform möglichst umgehend vom Bundestag beschlossen werden und anschließend nach Ausfertigung und Gegenzeichnung durch den Bundespräsidenten in Kraft treten.
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