Leitsatz (amtlich)

1. Die Anknüpfungsalternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB sind bezogen auf den Zeitpunkt der Geburt jeweils isoliert zu prüfen. Ergeben sich danach widersprüchliche Vaterschaftszuweisungen, ist dem Recht des gewöhnlichen - hier inländischen - Aufenthalts jedenfalls dann der Vorzug zu geben, wenn für das Kind - wie hier über die Staatsangehörigkeit - eine dauerhafte Verbindung zu dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts gesichert ist (entgegen OLG Düsseldorf, StAZ 2019, 301; OLG Hamm, StAZ 2019, 370).

2. Ist eine rechtliche Vater-Kind-Zuordnung durch die Beurkundung der für die Anerkennung der Vaterschaft erforderlichen Erklärungen begründet, kommt nach § 1597a Abs. 2 S. 1 BGB eine Aussetzung des standesamtlichen Verfahrens über die Beurkundung im Geburtenregister nicht in Betracht (entgegen OLG Köln, FamRZ 2019, 897).

 

Normenkette

BGB § 1592 Nr. 2; BGH § 1594 Abs. 2, § 1597a Abs. 2 S. 1; EGBGB Art. 19 Abs. 1; PStG §§ 21, 48

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 71c III 99/18)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird geändert. Das Standesamt ... von Berlin wird

angewiesen, den Eintrag Nr. G .../2018 wie folgt zu berichtigen:

Vater

Familienname ...

Vorname(n) ...

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1) und 4) sind Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina, der Beteiligte zu 3) ist Deutscher. Die Ehe zwischen den Beteiligten zu 1) und 4) wurde mit sogleich rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts des Bezirks Brčko vom ... April 2018 geschieden. Am ... Juni 2018 gebar die Beteiligte zu 1) in Berlin das betroffene Kind. Zuvor hatte der Beteiligte zu 3) mit notariell beurkundeter Erklärung vom ... Mai 2018 unter Zustimmung der Beteiligten zu 1) anerkannt, Vater des Kindes zu sein (UR-Nr. 947/2018 des Notars ...).

Das Standesamt beurkundete die Geburt ohne Eintrag zum Geburts- und Vornamen des Kindes und mit dem Beteiligten zu 4) als Vater. Die Beteiligte zu 1) hat beantragt, das Standesamt anzuweisen, berichtigend den Beteiligten zu 3) als Vater zu beurkunden. Das Amtsgericht hat den Antrag mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen, da eine biologische Abstammung des Kindes von dem Beteiligten zu 3) nach den konkreten Umständen nicht wahrscheinlich sei.

Laut in Ausfertigung vorgelegter Niederschrift erklärte der Beteiligte zu 4) in notarieller Verhandlung vom ... Februar 2020, er stimme der Vaterschaftsanerkennung des Beteiligten zu 3) zu (UR-Nr. 263/2020 des Notars ...).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Beschluss des Amtsgerichts und ergänzend auf die Akten nebst Beiakten verwiesen.

II. Die Beschwerde ist zulässig (§§ 58 ff. FamFG i.V.m. § 51 Abs. 1 S. 1 PStG) und begründet. Die Voraussetzungen für die beantragte Berichtigung gemäß § 48 PStG liegen vor. Nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes ist der Beteiligte zu 3) als sein Vater anzusehen. Für die väterliche Abstammung bestehen am ... Juni 2018 folgende Anknüpfungsalternativen:

Gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB kann die Abstammung im Verhältnis zu dem Beteiligten zu 4) nach dem Recht von Bosnien und Herzegowina bestimmt werden. Es ist bereits zweifelhaft, ob der Beteiligte zu 4) danach der Vater ist. Maßgebend ist gemäß Art. 4 Abs. 3 S. 1 EGBGB i.V.m. Art. 3 des Gesetzes betreffend die Entscheidung über Gesetzes- und Zuständigkeitskollisionen in Status-, Familien- und Erbbeziehungen vom 27. Februar 1979 (wiedergegeben bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stand Febr. 2020, Bosnien-Herzegowina, S. 58 ff.) das Familiengesetz des Bezirks Brčko vom 14. Juni 2007 (FamFG-B, teilw. wiedergegeben bei Bergmann/Ferid, a.a.O, S. 128 ff.), da der Beteiligte zu 4) auf diesem Gebiet seinen Wohnsitz hat. Gemäß Art. 50 Abs. 1 FamFG-B gilt als Vater eines in der Ehe oder - wie hier - im Zeitraum bis zu 300 Tagen nach Beendigung der Ehe geborenen Kindes der Ehemann der Mutter als Vater. Gemäß Art. 50 Abs. 2 FamFG-B gilt als Vater eines außerhalb der Ehe geborenen Kindes derjenige, der das Kind als seines anerkennt. Es ist möglich, dass ein bis zu 300 Tage nach Beendigung der Ehe geborenes Kind der Vorschrift nicht unterfällt, weil es nach der Wertung des voranstehenden Absatzes als "innerhalb der Ehe geboren" anzusehen sein könnte. Für die Auslegung ist allerdings auch Art. 50 Abs. 3 FamFG-B heranzuziehen: Wurde das Kind in einer außerehelichen Gemeinschaft geboren und ist das Urteil über die Scheidung der Ehe der Mutter nicht rechtsgültig, gilt als Vater der Mann, der das Kind mit Zustimmung der Mutter als seines anerkennt.

Nach den zutreffenden Feststellungen des Amtsgerichts ist nicht anzunehmen, dass zwischen den Beteiligten zu 1) und 3) eine Lebensgemeinschaft (vgl. dazu Bergmann/Ferid, a.a.O., S. 94, 128; Brandhuber/Zeyringer, Standesamt und Ausländer, Stand Aug. 2019, Bosnien-Herzegowina, S. 14 f.) bestand oder besteht. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass eine nacheheliche Vaterschaft gemäß Art. 50 Abs. 1 FamFG-B durch eine - schon vorgeburtlich mögliche ...

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