Leitsatz (amtlich)
Beantragt der Berufungskläger Prozesskostenhilfe und legt zugleich unbedingt Berufung ein, die er auch begründet, ist die durch die Stellung eines Sachantrags des Berufungsbeklagten entstandene Verfahrensgebühr bei Berufungsrücknahme in voller Höhe zu erstatten.
Daran ändern auch die Bitte des Berufungsklägers nichts, zunächst über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden, und die Aufforderung des Gerichts an den Berufungsbeklagten, zunächst nur zu diesem Antrag Stellung zu nehmen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 28.02.2007; Aktenzeichen 21 O 586/05) |
Tenor
In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden als nach dem Beschluss des Senats vom 2.11.2006 - 1 U 53 und 54/06 - von der Klägerin an die Beklagtezu 2 zu erstattende Kosten über den bereits festgesetzten Betrag hinaus weitere 415 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2006 festgesetzt.
Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 im Beschwerdeverfahren bei einem Beschwerdewert i.H.v. bis zu 600 EUR zu tragen.
Gründe
I. Die Klägerin legte mit Schriftsatz vom 28.6.2006 gegen das Teilurteil des LG Berlin vom 24.5.2006 und gegen das Schlussurteil des LG Berlin vom 14.6.2006 Berufung ein und beantragte, für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Sie bat die Beklagten zugleich, sich zunächst noch nicht zur Akte zu melden, sondern die Berufungsbegründung und den Beschluss zur Prozesskostenhilfe im Berufungsverfahren abzuwarten. Mit Schriftsätzen vom 21.7.2006 begründete die Klägerin die Berufungen gegen die beiden Urteile des LG Berlin. Sie bat, zunächst über ihren Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden. Mit gerichtlicher Verfügung vom 3.8.2006 wurde den Beklagten jeweils eine einfache Abschrift der Berufungsbegründungen mit der Aufforderung, zu dem Prozesskostenhilfeantrag Stellung zu nehmen, übersandt. Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28.8.2006 ließ die Beklagte zu 2 einen auf Zurückweisung der Berufung gerichteten Antrag ankündigen. Mit Schriftsatz vom 11.9.2006 nahm sie zu dem Prozesskostenhilfeantrag Stellung. Der Senat wies den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 26.9.2006 zurück. Nach gerichtlichem Hinweis, dass beabsichtigt sei, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, nahm die Klägerin die Berufung zurück, worauf der Senat ihr mit Beschluss vom 2.11.2006 die Kosten der Berufung auferlegte.
Die Beklagte zu 2 hat am 16.11.2006 u.a. die Festsetzung einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr nach RVG-VV Nr. 3200 beantragt. Das LG hat mit am 12.3.2007 zugestelltem Beschluss vom 28.2.2007 lediglich eine 1,1-fachen Verfahrensgebühr nach RVG-VV Nr. 3201 festgesetzt. Hiergegen wendet sich die Beklagte zu 2 mit ihrem am 14.3.2007 als "Erinnerung/Rechtsmittel" bezeichneten Schriftsatz vom 13.3.2003, dem das LG nicht abgeholfen hat.
II. Das Rechtsmittel der Beklagten zu 2, bei dem es sich um eine sofortige Beschwerde handelt, ist zulässig, §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, insbesondere ist es form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO.
Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Auf seiten der Beklagten zu 2 ist eine Verfahrensgebühr nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG in Verbindung mit RVG-VV Nr. 3200 durch die Ankündigung des Antrags auf Zurückweisung der Berufung im Schriftsatz vom 28.8.2006 entstanden. Die Stellung eines Sachantrags schließt die vorzeitige Beendigung des Auftrags gemäß RVG-VV Nr. 3201 Abs. 1 Nr. 1 aus (vgl. KG, Beschl. v. 24.5.2005 - 1 W 405/04, KGReport Berlin 2005, 646 = OLGReport 2005, 646, 647; KG, Beschl. v. 2.12.2005 - 1 W 434/04, KGReport Berlin 2006, 230 = OLGReport 2006, 230 = AGS 2007, 271). Die Verfahrensgebühr ist in voller Höhe von der Klägerin zu erstatten, weil es sich um notwendige Kosten der Rechtsverteidigung handelte, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Sachantrag der Beklagten zu 2 wurde zu einem Zeitpunkt gestellt, in dem er zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich war. Das ist dann der Fall, wenn von dem Berufungskläger ein Berufungsantrag gestellt und das Rechtsmittel begründet worden ist. Denn dann handelt es sich nicht mehr um nur eine zur Fristwahrung eingelegte Berufung bei der der Berufungskläger innerhalb der Berufungsfrist entscheiden will, ob das Berufungsverfahren durchgeführt werden soll oder nicht. Liegt die Berufungsbegründung vor, hat der Berufungsbeklagte ein berechtigtes Interesse daran, mit anwaltlicher Hilfe in der Sache frühzeitig zu erwidern und so eventuell bereits eine Zurückweisung der Berufung im Beschlussweg durch eigene zusätzliche Argumente zu fördern (BGH v. 9.10.2003 - VII ZB 17/03, BGHReport 2004, 69 = MDR 2004, 115 = NJW 2004, 73). Vorliegend lag die Berufungsbegründung im Zeitpunkt der Stellung des Sachantrags der Beklagten zu 2 bereits vor.
Der Erstattungsfähigkeit der Gebühr nach RVG-VV Nr. 3200 steht nicht entgegen, dass die Klägerin die Beklagten gebeten hatte, sich zunäc...