Leitsatz (amtlich)
Bei einer Gegendarstellung kann die Forderung einer geänderten Fassung selbst dann noch unverzüglich sein, wenn sie erst geltend gemacht wird, nachdem die Berufungsinstanz eine erstinstanzliche Verurteilung aufgehoben hat.
Normenkette
BerlPresseG § 10
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 27 O 5/24) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Berlin II vom 30. Januar 2024 - 27 O 5/24 - abgeändert.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, in dem gleichen Teil der Zeitung "BILD", in dem am 24. November 2023 der Artikel "Razzia beim Herrn Oberarzt und seinen TERRORFREUNDEN" erschienen ist (Anlage Ast 1), mit gleicher Schrift wie der Fließtext dieses Artikels und unter Hervorhebung des Wortes "Gegendarstellung" als Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Nummer ohne Einschaltungen und Weglassungen die folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen, wobei die Überschrift "Gegendarstellung" der Größe der Schrift der Worte "Bundesweiter Großeinsatz gegen Hamas-Anhänger (...)" im Artikel vom 24. November 2023zu entsprechen hat und drucktechnisch hervorzuheben ist, der Fließtext hingegen der Größe des Fließtextes des Artikels vom 24. November 2023 zu entsprechen hat:
Gegendarstellung
In der Bild-Zeitung vom 24. November 2023 wird unter dem Titel "Razzia beim Herrn Oberarzt und seinen Terrorfreunden" über mich berichtet: "Er ist laut Ermittlern Vorsitzender eines Vereins, zu dem eine Moschee gehört, die seit vier Jahren vom NRW-Verfassungsschutz beobachtet wird."
Hierzu stelle ich fest: Ich bin seit dem 23.08.2020 nicht mehr Vorsitzender des Vereins.
Bochum, den 07.01.2024
Dr. R. G.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Gebührenstreitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
A. Die gemäß §§ 567 ff. ZPO statthafte und zulässig eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Der Antragsteller hat gemäß § 10 Absatz 1 Satz BerlPresseG einen Anspruch auf Veröffentlichung der verlangten Gegendarstellung. Die Tatbestandsvoraussetzungen liegen vor. Insbesondere ist der Antragsgegnerin das Veröffentlichungsverlangen vom 7. Januar 2024 "unverzüglich" im Sinne des § 10 Absatz 2 Satz 4 BerlPresseG zugegangen.
I. Nach § 10 Absatz 2 Satz 4 BerlPresseG kann der Abdruck der Gegendarstellung von den betroffenen Personen oder Stellen oder ihren Vertretern nur verlangt werden, wenn die Gegendarstellung den verantwortlichen Redakteuren oder den Verlegern unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Monaten nach der Veröffentlichung, zugeht. Das ist der Fall.
1. "Unverzüglich" bedeutet in Anwendung der Legaldefinition des § 121 Absatz 1 Satz 1 BGB, dass der Betroffene ohne schuldhaftes Zögern auf den Abdruck der Gegendarstellung hinzuwirken hat (siehe auch Senat, Beschluss vom 26. Januar 2023 - 10 W 11/23). Ob der Betroffene unverzüglich gehandelt hat, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles ohne Bindung an starre Fristen zu entscheiden (OLG Dresden, Beschluss vom 3. April 2018 - 4 W 282/18, juris - Randnummer 4; KG, Beschluss vom 20. Juni 2008 - 9 W 72/08, juris - Randnummer 3).
a) Dem Antragsteller muss vor dem Veröffentlichungsverlangen hinreichend Zeit bleiben, vorher notwendige Informationen einzuholen, gegebenenfalls unter anwaltlicher Beratung zu einer Entscheidung zu kommen und die Gegendarstellung korrekt abzufassen. Er muss dabei aber schnell handeln, weil das gesamte Gegendarstellungsrecht vom Aktualitätsinteresse geprägt wird.
b) Da es dem Betroffenen angesichts der Schwierigkeiten, eine den Anforderungen des Pressegesetzes genügende Gegendarstellung zu formulieren, nicht verwehrt werden kann, seine Gegendarstellung - erforderlichenfalls auch mehrfach - zu überarbeiten, darf der Betroffene dem Abdruckverpflichteten vor, während und nach einem etwaigen Gerichtsverfahren neue Fassungen der Gegendarstellung zuleiten. Indes gilt auch insoweit der Grundsatz, dass dies wiederum ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen hat (OLG Hamburg, Urteil vom 26. September 2000 - 7 U 73/00, juris - Randnummer 4).
c) Das Verlangen auf Abdruck einer zunächst nicht zugeleiteten Fassung einer Gegendarstellung kann noch unverzüglich sein, wenn der Verlag oder das Gericht hinsichtlich einer zuvor zugeleiteten Fassung Bedenken geäußert haben und der Betroffene unverzüglich nach Kenntnis davon dem Verlag eine revidierte Fassung der Gegendarstellung zuleitet. Das setzt allerdings voraus, dass das erste Veröffentlichungsverlangen unverzüglich war, so dass sich eine Kette jeweils unverzüglich aufeinander folgender Veröffentlichungsverlangen ergibt (siehe auch OLG Hamburg, Urteil vom 18. Mai 2010 - 7 U 121/09, juris - Randnummer 15). Die mit der inhaltlichen Änderung und Zuleitung einer Zweitfassung verbundene Zeitverzögerung ist nicht mehr unverzüglich, wenn die Erstfassung an groben, ohne Weiteres erkennbaren Mängeln leidet. Ein grober Mangel...