Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Prozesskostenhilfe für Beklagten bei Rücknahme der Klage vor Ablauf der dem Kläger eingeräumten Frist zur Stellungnahme zu dem PKH-Gesuch

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 18.12.2008; Aktenzeichen 32 O 651/07)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 18.11.2009; Aktenzeichen XII ZB 152/09)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1) von 19.3.2009 gegen den Beschluss der Zivilkammer 32 des LG Berlin vom 18.12.2008 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

1. Die Kläger haben die Beklagten auf Zahlung von Miete und Betriebskosten für eine Gewerbeeinheit im Erdgeschoss des Hauses R. straße.., Berlin, in Anspruch genommen.

Auf Antrag der Kläger hat das LG Berlin im schriftlichen Vorverfahren gegen beide Beklagte ein Versäumnisteil- und Schlussurteil erlassen, gegen das die Erstbeklagte

mit Schriftsatz vom 10.6.2008 Einspruch eingelegt hat mit der Begründung, sie sei nicht Mieterin der Räume, zumal sie bei Vertragsschluss am Januar 2005 noch nicht volljährig gewesen sei. Zugleich hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Rechtsverteidigung beantragt.

Die Kläger daraufhin haben mit Schriftsatz vom 1.7.2008 die Klage gegen die Erstbeklagte zurückgenommen und die Erstbeklagte hat mit Schriftsatz vom 15.7.2008 beantragt, den Klägern die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Mit Beschluss vom 18.12.2008, der Erstbeklagten zugestellt am 19.2.2009, hat das LG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen mit der Begründung, die Erstbeklagte habe dafür kein Bedürfnis, weil sie keine Pflicht zur Kostentragung treffe. Dies gelte unabhängig davon, ob die Gegenseite die Kosten tatsächlich erstatte oder - wie sie vortrage - im Wege der Aufrechnung mit einer Gegenforderung verrechne.

Der dagegen eingelegten sofortigen Beschwerde, eingegangen am 19.3.2009, hat das LG mit Beschluss vom 24.3.2009 nicht abgeholfen mit der Begründung, ein späteres Erlöschen des Kostenerstattungsanspruchs der Erstbeklagten sei ohne Bedeutung für die in diesem Prozesszu treffende Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

2. Die Beschwerde ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

a) Das LG hat den Antrag der Erstbeklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Abwehr der zurückgenommenen Klage aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses sowie des Nichtabhilfe-Beschlusses zurückgewiesen;

denn nach Rücknahme der Klage mit Schriftsatz vom 1.7.2008 fehlte der beabsichtigten Rechtsverteidigung der Erstbeklagen jede Erfolgsaussicht, § 114 ZPO; darüber hinaus gab es auch für sie keine Kostentragunspflicht, weil das LG auf Antrag der Erstbeklagten vom 15.7.2008 mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7.8.2008 die ihr von den Klägern zu erstattenden Kosten antragsgemäß festgesetzt hat.

b) Die Erstbeklagte stützt ihre Beschwerde auf den Umstand, dass ihr Anspruch auf die zu ihren Gunsten festgesetzten Kosten mit Einwendungen oder Einreden behaftet sein können (hier konkret: Aufrechnung der Kläger vom 19.8.2008 mit Gegenforderungen aus einem Vorprozess). Solche im Nachhinein, nämlich nach Abschluss des Rechtsstreits und des Kostenfestsetzungsverfahrens von hiesiger Klägerseite der Beklagten zu 1. gegenüber geltend gemachten Forderungen, können aber nicht als Begründung für die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe dienen (S. 2 der Beschwerde vom 19.3.2009).

Dieser Einwand geht indes fehl; denn nicht das LG hat mit der von den Klägern geltend gemachten Gegenforderung die Ablehnung der Prozesskostenhilfe begründet; vielmehr ist es die Beschwerdeführerin, die meint, wegen dieser Gegenforderungen habe sie Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe, weil ihr sonst im Ergebnis nicht die zu ihren Gunsten festgesetzten Kosten zu Gute kämen.

Der Umstand, dass der Gegner der kostenarmen Partei gegen die zu deren Gunsten festgesetzten Kosten später die Aufrechnung erklärt, ist für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung jedoch nicht erheblich.

Entscheidend ist vielmehr, dass im Zeitpunkt der Klagerücknahme (hier: am 1.7.2008) die für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung der Erstbeklagten entfallen ist und die Erstbeklagte im Hinblick auf den ihr zustehenden Kostenerstattungsanspruch (§ 269 Abs. 3, 4 ZPO) auch keine Kosten der Prozessführung aufbringen muss.

Ist dies im Zeitpunkt der Entscheidungsreife der Fall, kann keine Prozesskostenhilfe mehr bewilligt werden (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 31.1.2003 - 11 WF 364/02, FamRZ 2003, 1761 = NJW-RR 2004, 79 = OLGReport Hamm 3003, 176; OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.9.2006 - 3 W 25/06, JurBüro 2007, 150; ArbG Regensburg JurBüro 1991, 1229; vgl. Baumbach u.a., ZPO, 66. Aufl. 2008, § 114 Rz. 94; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 119 Rz. 45; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rz. 483)

Anders können nur solche Fälle behandelt wer...

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