Entscheidungsstichwort (Thema)
Eintragung der durch rechtskräftiges Urteil des Familiengerichts getroffenen Feststellung des Nichtbestehens der Ehe trotz Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils
Leitsatz (amtlich)
1. Dem Standesbeamten steht bei Eintragung der durch rechtskräftiges Urteil des FamG getroffenen Feststellung des Nichtbestehens einer Ehe auch nach der ersatzlosen Aufhebung des § 638 ZPO kein materielles Prüfungsrecht zu.
2. Die fehlende Unterrichtung der Verwaltungsbehörde nach §§ 632 Abs. 3, 631 Abs. 4 Satz 1 ZPO durch das FamG hat auf die Rechtskraft des Urteils und damit dessen Eintragungsfähigkeit im Familienbuch keinen Einfluss.
Normenkette
PStG § 14 Abs. 1 Nr. 3, § 15 Abs. 2; ZPO § 631 Abs. 4, § 632
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 05.09.2005; Aktenzeichen 84 T 351/05) |
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 70 III 84/05) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Geschäftswert beträgt 3.000 EUR.
Gründe
Die gem. §§ 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 Satz 2 PStG, 27 Abs. 1, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) hat in der Sache keinen Erfolg.
Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerdeführerin dagegen, dass AG und LG die Voraussetzungen für die Eintragung der beantragten Änderung in das Familienbuch bejaht haben.
1. Nach § 15b Abs. 2 PStG ist eine Änderung in das Familienbuch einzutragen, wenn der Standesbeamte die entsprechende Tatsache für erwiesen erachtet. Eingetragen werden soll hier die Tatsache der Feststellung des Nichtbestehens der Ehe durch das seit dem 12.11.2004 rechtskräftige Urteil des AG T.-K. So hat das AG den Antrag der Beteiligten zu 1) zutreffend ausgelegt.
2. Geht es darum, als Tatsachen bestimmte Rechtsverhältnisse, wie etwa eine Adoption, aus den primären Eintragungen in einem anderen Personenstandsbuch in das Familienbuch zu übernehmen, so soll dem Standesbeamten aufgrund des sekundären Charakters des Familienbuchs kein eigenes materielles Prüfungsrecht zustehen (Hepting/Gaaz, Personenstandsrecht, § 15b PStG Rz. 50; § 13 PStG Rz. 6, 7). Um einen solchen Fall geht es hier jedoch nicht, sondern um die erstmalige Eintragung in ein Personenstandsbuch. Das Urteil des FamG ist keine Personenstandsurkunde, es hat nicht die Bedeutung der Eintragung in einem Personenstandsbuch. Nach § 15b Abs. 2 PStG hat der Standesbeamte daher auch eine eigene Prüfungspflicht, (vgl. BGH, Urt. v. 4.10.1990 - XII ZB 200/87, MDR 1991, 438 = FamRZ 1991, 300 f.). In dem vom BGH zu entscheidenden Fall ging es um die Wirksamkeit einer einzutragenden Eheschließung. Der BGH hat ausgeführt, der Standesbeamte habe auch die materiellen Voraussetzungen einer rechtswirksamen Eheschließung zu prüfen. Der BGH weist darauf hin, dass das Familienbuch an der Beweiskraft des § 60 PStG beteiligt ist und die Allgemeinheit ein Interesse an objektiver Richtigkeit der Personenstandsregister hat. Dem Einwand des OLG Schleswig (OLG Schleswig StAZ 1967, 96), ein materielles Prüfungsrecht des Standesbeamten führe dazu, dass das AG über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zu entscheiden habe, obwohl hierfür nach § 606 ZPO a.F. ausschließlich die Zuständigkeit des LG begründet gewesen sei, hat der BGH entgegengehalten, das AG greife nicht in die Zuständigkeit des nach § 606 ZPO berufenen Gerichts ein, "da es nicht mit Wirkung gegen Jedermann über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe urteilt, sondern nur darüber entscheidet, ob die Eheschließung in ein Familienbuch einzutragen ist". Den beteiligten Eheschließenden werde nicht die Möglichkeit genommen, ein Verfahren nach § 638 ZPO (a.F.) durchzuführen. Der Standesbeamte und die Vorinstanzen hätten daher die materiellen Voraussetzungen einer Eheschließung zu Recht geprüft (BGH, Urt. v. 4.10.1990 - XII ZB 200/87, MDR 1991, 438 = FamRZ 1991, 300 f.).
3. Im vorliegenden Fall ist zweifelhaft, ob die zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) am 19.8.1993 geschlossene Ehe, wie das AG T./K. - FamG - in seinem Urteil vom 10.8.2004 (176 F 3620/04) entschieden hat, unwirksam war. Das FamG ist zu der Auffassung gelangt, die Ehe sei nicht wirksam geschlossen, weil die fehlende Registrierung der Eheschließungsstelle beim Generalkonsulat "nach ir. Vorstellung ... keine Formvorschrift, sondern die unmittelbare Anwendung von Gottes Wort aus dem Koran" betreffe. Dies führe dazu, dass die Frage der Wirksamkeit der Eheschließung nicht nach Art. 13 Abs. 3 EGBGB, der auf die Formvorschriften des deutschen Ortsrechts abstellt, sondern gem. Art. 13 Abs. 1 EGBGB nach dem Personalstatut der Eheschließenden, hier also nach iranischem Recht zu beurteilen sei. Dabei hat das AG die Qualifikation nach iranischem Recht vorgenommen, was durchgreifenden Bedenken begegnet.
Die deutschen Kollisionsnormen umschreiben ihren jeweiligen Anwendungsbereich mit Begriffen, die dem deutschen materiellen Recht entlehnt sind, z.B. Form von Rechtsgeschäften, Güterstand, Scheidung usw. Die Auslegung dieser Begriffe entscheidet über Reichweite und Abgrenzung der verschiedenen Kollisionsnormen. Dabei ist von derje...