Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 10.02.2005; Aktenzeichen 83 T 615/04) |
AG Berlin-Neukölln (Beschluss vom 24.09.2004; Aktenzeichen 61-VI 468/04) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde werden die Beschlüsse des LG Berlin vom 10.2.2005 und des AG Neukölln vom 24.9.2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung nach Maßgabe der folgenden Gründe an das AG Neukölln zurückverwiesen.
Gründe
A. Die Beteiligte, die die Tochter des am 19.4.1972 verstorbenen Erblassers ist, hat aufgrund eine notariellen Erbscheinsverhandlung vom 21.7.2004 die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins beantragt. Grundlage des Antrags ist ein notarielles Testament des Erblassers vom 6.3.1972, in dem sie zur Alleinerbin eingesetzt und ihrem Halbbruder E der Pflichtteil zugewandt wurde. Diesen Antrag hat das AG Neukölln als zuständige Nachlassgericht mit einem Beschl. v. 24.9.2004 zurückgewiesen, nachdem die Antragstellerin der Aufforderung auf Einreichung einer Sterbeurkunde und der Angabe des Namens und der Anschrift von dessen Tochter nicht nachgekommen war. Die Antragstellerin hatte insoweit mitgeteilt, dass ihr Halbbruder vor ca. 4 Jahren verstorben sein soll, dieser aber eine Tochter haben soll, deren Name und Anschrift ihr aber nicht bekannt seien. Gegen diesen Beschluss hat der damalige Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben vom 25.10.2004 Beschwerde eingelegt. Diese Beschwerde hat das LG mit einem Beschl. v. 15.2.2005 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde vom 25.4.2005.
B. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Nachlassgericht.
1. Das LG hat ausgeführt: Zur Gewährung rechtlichen Gehörs habe das Nachlassgericht vor der Erteilung eines Erbscheins denjenigen zu hören, der im Falle der Ungültigkeit einer letztwilligen Verfügung Erbe wäre. Zu hören wäre demnach, wenn der Sohn des Erblassers, E.S., verstorben wäre, dessen Tochter als dessen gesetzliche Erbin. Um die Anhörung durchzuführen, bedürfte es aus diesem Grund der Beibringung einer Sterbeurkunde des Sohnes und der Mitteilung der Anschrift der Tochter. Die Erbringung dieser Angaben sei im Rahmen des Zumutbaren zunächst Aufgabe der Beteiligten als Antragstellerin. Insoweit entfalle eine Ermittlungspflicht des Nachlassgerichts. Die Weigerung der Beteiligten zur Beibringung dieser Angaben und Unterlagen rechtfertige die Zurückweisung des Erbscheinsantrags, nachdem sich aus dem Testament Anhaltspunkte für Nachforschungen ergeben.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Es kann offen bleiben, ob der zwischen der Beteiligten und dem zunächst tätig gewordenen Erbenermittler geschlossene Vertrag wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz unwirksam ist (vgl. dazu BGH v. 13.3.2003 - I ZR 143/00, BGHReport 2003, 1086 = NJW 2003, 3046; BVerfG v. 27.9.2002 - 1 BvR 2251/01, MDR 2003, 297 = NJW 2002, 3531), wie das LG erwogen, aber letztendlich offen gelassen hat. Die Nichtigkeit dieses Vertrages würde zwar auch zu einer Unwirksamkeit der erteilten Vollmacht führen, auf deren Grundlage der Erbenermittler die Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts eingelegt hat (vgl. BGH v. 18.3.2003 - XI ZR 188/02, MDR 2003, 819 = BGHReport 2003, 747 = NJW 2003, 2088; NJW 2004, 840; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 134 Rz. 21 m.w.N.). Ein etwaiges vollmachtloses Handeln wäre aber durch die Einlegung der weiteren Beschwerde durch den von der Beteiligten nunmehr beauftragten Rechtsanwalt geheilt worden.
b) Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass in einem Erbscheinsverfahren über den Wortlaut des § 2360 BGB hinaus, dessen Voraussetzungen hier nicht vorliegen, weil nach den bisher getroffenen Feststellung kein Rechtsstreit über das Erbrecht anhängig ist und das geltend gemachte Erbrecht auf einer dem Nachlassgericht vorliegenden öffentlichen Urkunde beruht, eine Anhörung der gesetzlichen Erben erforderlich ist. Dies beruht auf Art. 103 Abs. 1 GG, der als unmittelbar geltendes Verfassungsrecht auch im Erbscheinsverfahren zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG v. 14.4.1987 - 1 BvR 332/86, MDR 1987, 813 = FamRZ 1987, 786; Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., § 2360 Rz. 1). Ob die gesetzlichen Erben im Rahmen der Anhörung überhaupt Tatsachen vortragen, die einer Erteilung des Erbscheins entgegen stehen, ist dabei - entgegen der Auffassung der Beteiligten - unerheblich. Dies gilt schon deshalb, weil ohne Anhörung nicht feststehen kann, welche Gesichtspunkte einer Erteilung entgegenstehen könnten. So können sich aus einer derartigen Anhörung Anhaltspunkte auf das Vorliegen weiterer Testamente ergeben und für die Auslegung eines Testaments sowie Tatsachen, die der Wirksamkeit eines Testaments entgegenstehen. Etwas anderes kann nur gelten, wenn eine Anhörung nicht stattfinden kann, weil nach Durchführung der insoweit in Betracht kommenden und notwendigen Ermittlungen geset...