Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 01.07.2013; Aktenzeichen (295 OWi) 3014 Js-OWi 4836/13 (501/13))

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 1. Juli 2013 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Betroffene einer vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 41 km/h gemäß §§ 41 Abs. 1 StVO i.V.m. Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 Abschnitt 7. Nr. 49 (Zeichen 274), Spalte 3, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO nach § 24 Abs. 1 StVG schuldig ist.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat gegen den Betroffenen wegen einer vorsätzlich begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 43 km/h) eine Geldbuße von 500,00 Euro festgesetzt und ihm für die Dauer eines Monats verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gerügt wird, hat teilweise (vorläufigen) Erfolg.

1. Die nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 OWiG zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet im Sinne von §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO, soweit sie Verfahrensfehler rügt.

Lediglich ergänzend bemerkt der Senat, dass das Gericht gemäß § 77 Abs. 1 Nr. 2 OWiG einen Beweisantrag ablehnen kann, wenn eine Beweisaufnahme stattgefunden hat, es den Sachverhalt für geklärt erachtet und die beantragte Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nach seinem pflichtgemäßen Ermessen nicht erforderlich ist (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Oktober 2009 - 3 Ws (B) 533/09 -; Seitz in: Göhler, OWiG 16. Auflage, § 73 Rn. 11 m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Tatrichter hat sich im Urteil mit dem Beweisantrag auseinandergesetzt, die bereits erhobenen Beweise gewürdigt und ist insbesondere aufgrund der für glaubhaft erachteten Aussage des Zeugen PK S... zu dem nachvollziehbaren Ergebnis gelangt, dass keine konkreten Anhaltspunkte für eine nicht-anlassbezogene Geschwindigkeitsmessung vorlagen. Soweit die Rechtsbeschwerde aus dem Umstand, dass die Videoaufzeichnung unmittelbar vor der Messsequenz eine Aufnahme der Heckkamera des Messfahrzeugs zeigt, eine nicht anlassbezogene Messung herleiten will, hat das Amtsgericht diese Behauptung nachvollziehbar widerlegt. So hat das Gericht im Urteil überzeugend ausgeführt, dass der Zeuge PK S... glaubhaft dargelegt habe, dass die Heckkamera wegen einer vorangegangenen Messung noch eingeschaltet gewesen sei. Weder die Ausführungen in der Revisionsbegründung noch in der Gegenklärung decken Tatsachen oder Umstände auf, die das Gericht dazu hätten veranlassen müssen, den beantragten Beweis zu erheben. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass auf dem ersten sichtbaren Bild der vorliegenden Videoaufzeichnung (Einstellung Heckkamera, Uhrzeit 16:44:04 Uhr) kein Fahrzeug zu identifizieren ist. Demzufolge fehlt es ersichtlich an konkreten Anhaltspunkten für die unter Beweis gestellte Behauptung.

Soweit die Revision beanstandet, das Amtsgericht habe nicht ausreichend festgestellt, dass der Zeuge PK S... über die erforderliche Ausbildung zum hier verwendeten Messverfahren verfügt, dringt sie mit ihrem Vorbringen ebenfalls nicht durch. Die Generalstaatsanwaltschaft hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Urteil hinreichend deutlich zu entnehmen ist, dass sich der Tatrichter aufgrund der Aussage des Zeugen PK S... davon überzeugt hat, dass dieser eine entsprechende Ausbildung absolviert hat. Dass ein Ausbildungsnachweis zur Akte gereicht wurde, führt nicht zwingend zu dem in der Gegenerklärung gezogenen Schluss, dass der Zeuge nur diese eine Ausbildung absolviert hat.

2. Auf die Sachrüge war der Schuldspruch hingegen zu berichtigen.

Entgegen der Annahme des Amtsgerichts ist hier § 42 Abs. 1 StVO und nicht § 42 Abs. 2 StVO einschlägig. Im Übrigen war der Tenor hinsichtlich der konkret begangenen Ordnungswidrigkeit und der weiteren anzuwendenden Vorschriften zu ergänzen.

Soweit der Tatrichter von einer tatsächlichen Geschwindigkeit von 123 km/h und demzufolge von einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 43 km/h ausgegangen ist, ist dies unzutreffend. Sowohl bei dem vom Amtsgericht angenommenen Toleranzabzug von 6,72 km/h als auch bei einem Toleranzabzug von 5% (6,4 km/h), der bei Geschwindigkeitsmesswerten oberhalb von 100 km/h im Regelfall erforderlich und ausreichend ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 26. Mai 2008 - 3 Ws (B) 123/08 - nach juris Rn. 3; 17. Mai 2000 - 3 Ws (B) 189/00 - nach juris Rn. 8; 9. November 1998 - 3 Ws (B) 543/98 - nach juris Rn. 7 und 11. Mai 1998 - 3 Ws (B) 209/98 - nach juris Rn. 5), ergibt sich bei einem Messergebn...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge