Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 11.04.2016; Aktenzeichen 324 OWi 7/16)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 11. April 2016 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Der Polizeipräsident hat gegen den Betroffenen am 06. Oktober 2015 wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes eine Geldbuße von 225,00 Euro festgesetzt, ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet und nach § 25 Abs.2a Satz 1 StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen. Auf seinen Einspruch hat das Amtsgericht Tiergarten den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil zu einer Geldbuße von 225,00 Euro verurteilt. Von der Verhängung eines Fahrverbots hat es abgesehen.

Hiergegen wendet sich die Amtsanwaltschaft mit der auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde, die von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vertreten wird. Die Amtsanwaltschaft beanstandet, dass das Amtsgericht kein Fahrverbot verhängt hat. Sie rügt die Verletzung sachlichen Rechts.

Aufgrund der wirksamen Beschränkung steht fest, dass der Betroffene am 25. August 2015 um 11.15 Uhr mit dem PKW Daimler Benz, amtliches Kennzeichen B-------, in ---- Berlin den Kreuzungsbereich S----- Straße/M----- Straße passierte und hierbei das Rotlicht der für ihn geltenden Lichtzeichenanlage missachtete, wobei die Rotphase bereits länger als 1 Sekunde andauerte. Die Feststellung des Rotlichtverstoßes erfolgte mittels einer geeichten Stoppuhr.

Das Amtsgericht ist im Weiteren der Einlassung des Betroffenen gefolgt, wonach er, der Betroffene, die maßgebliche Strecke regelmäßig fahre. Nach seinem zuvor innegehabten Urlaub sei nun aber alles anders gewesen, die Verkehrsführung sei verändert worden. Aus der vormals einspurigen Straße sei nun eine zweispurige Fahrbahn gemacht worden, wobei der ehemalige Radweg nun auch eine Fahrspur für Kraftfahrzeuge dargestellt habe. Die so entstandene linke Fahrspur, die ursprünglich die Geradeausspur gewesen sei, sei nun auf einmal eine Abbiegespur gewesen. Er habe deshalb, weil er geradeaus habe fahren wollen, auf die rechte Spur wechseln wollen und habe entsprechend geblinkt. Er habe dabei auch in den Rückspiegel geschaut, ob ihn jemand in die Geradeausspur hineinlasse und dabei möglicherweise übersehen, dass die Ampel auf Rotlicht umgeschaltet habe. Das Amtsgericht kommt daher zu dem Schluss, dass trotz des festgestellten Rotlichtverstoßes von über einer Sekunde, was gemäß § 4 Abs. 1 BKatV die Verhängung eines Fahrverbots indiziere, kein "grober oder beharrlicher Pflichtverstoß" i.S.d. § 25 Abs. 1 StVG gegeben sei, da beim Betroffenen aufgrund des geänderten Straßenverlaufs und der verkürzten Gelbphase lediglich ein "Augenblicksversagen aufgrund besonderer Umstände" vorgelegen habe.

II.

1. Die rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthaft, da im Bußgeldbescheid ein Fahrverbot verhängt worden war.

2. Die Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge Erfolg.

Die Bemessung der Rechtsfolgen liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatrichters, weshalb sich die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darauf beschränkt, ob der Tatrichter von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (OLG Karlsruhe NStZ - RR 2001, 278).

Im Rahmen dieses Prüfungsumfanges hält der Rechtsfolgenausspruch des Amtsgerichts rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass aufgrund der getroffenen Feststellungen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BKatV i.V.m. 132.3 BKat wegen einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers neben der Anordnung einer Geldbuße die Verhängung eines Regelfahrverbots grundsätzlich indiziert war. Dass es dennoch hiervon abgesehen hat, verkennt die Bedeutung des bundeseinheitlich geltenden Bußgeldkatalogs, die in ihm zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Vorbewertung der dort normierten Regelfälle und die ihn prägende Regelbeispieltechnik. Liegen - wie hier - die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BKatV i.V.m. 132.3 BKat vor, unter denen ein Fahrverbot als regelmäßige Denkzettel- und Erziehungsmaßnahme angeordnet werden soll, ist grundsätzlich von einer groben Pflichtverletzung des betroffenen Kraftfahrers im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG auszugehen (vgl. BGHSt 38, 125; 38, 231). Der Tatrichter ist in diesen Fällen - nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung - gehalten, die Maßnahme anzuordnen. Er kann hiervon nur in ganz besonderen Ausnahmefällen absehen, wenn der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen so erheblich von dem Regelfall abweicht, an den der Gesetzgeber gedacht hat, dass er als Ausnahme zu werten ist und auf ihn die Regelbeispieltechnik des Bußgeldkatalogs nicht mehr zutrifft, oder wenn die Maßnah...

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