Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung des gesamten Personensorgerechts auf die Pflegemutter
Leitsatz (redaktionell)
Voraussetzungen der Übertragung des gesamten Personensorgerechts auf die Pflegemutter
Normenkette
BGB § 1630 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 10.08.2005; Aktenzeichen 125 F 5616/04) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Pflegemutter wird der Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg (Familiengericht) vom 10. August 2005 – Geschäftsnummer 125 F 5616/04 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Pflegemutter wird das Personensorgerecht für die am 9. November 1995 geborene Stefanie Schmidt übertragen.
2. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I.
S.S. ist am … 1995 außerhalb bestehender Ehe der Kindesmutter geboren.
Sie lebt seit 1998 in Dauerpflege bei ihrer Pflegemutter, Frau K..
Unter dem 2. April 2004 beantragte die Pflegemutter „das Personensorgerecht für S.” bei dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg. Sie legte dar, dass die Kindesmutter im Jahre 2002 nach Bayern verzogen sei. Die Pflegemutter legte eine Erklärung der Kindesmutter vor (Bl. 3 d.A.), in der es hieß: „Hiermit möchte ich … an Frau B. K. das Sorgerecht abgeben.”
Der Verfahrensbevollmächtigte der Mutter teilte mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2004 mit, dass die Kindesmutter der Übertragung der elterlichen Sorge auf die Pflegemutter zustimme. Eine Erklärung der Mutter war dem Schriftsatz beigefügt (Bl. 20 7 21 d.A.).
In einem Bericht des weiteren Beteiligten vom 12. Mai 2005 (Bl. 32 d.A.) wurde für das Mitwirken eines Vormundes plädiert. Frau K. nehme ihre Aufgabe als Pflegemutter sehr ernst, versuche, sie gewissenhaft zu erfüllen. In manchen Bereichen zeige sie noch Unsicherheiten. In einem Bericht des Pflegekinderdienstes der Caritas vom 11. Februar 2005 hieß es, dass die Übertragung des Sorgerechtes auf die Pflegemutter nicht so günstig sei. Für S. sei bei einer Amtsvormundschaft die zweite außerhalb des Pflegeverhältnisses verantwortliche Person dann greifbar (Bl. 34 d.A.).
Das Amtsgericht hat die Pflegemutter am 26. Juli 2005 angehört. Die Kindesmutter ist zu diesem Termin nicht erschienen. Es wird auf Bl. 36 d.A. verwiesen.
Wegen des weiteren Verlaufs des amtsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Verfahrensakten verwiesen.
Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hat durch Beschluss vom 10. August 2005 der Pflegemutter die Gesundheitssorge und die Sorge in schulischen Angelegenheiten übertragen. Es hat den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 37 – 39 d.A. verwiesen.
Der Beschluss ist der Pflegemutter am 26. August 2005 zugestellt worden. Sie hat dagegen mit am 13. September 2005 bei dem Kammergericht eingegangenem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde eingelegt, die zugleich begründet worden ist.
Die Pflegemutter verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren weiter.
Die Kindesmutter hat mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 14. November 2005 eine Entbindung der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen beantragt. Im Schriftsatz ist ausgeführt worden, dass die Kindesmutter bereits ihr Einverständnis mit der Übertragung der elterlichen Sorge auf die Pflegemutter erklärt habe, aber auch gegen die gerichtliche Regelung keine Bedenken vorbringen könne.
Die Kindesmutter ist von der Pflicht des persönlichen Erscheinens entbunden worden.
Der Senat hat am 8. Februar 2006 S. S., die Pflegemutter und deren Verfahrensbevollmächtigte angehört. Für die Kindesmutter ist niemand erschienen (Bl. 76 d.A.).
Hinsichtlich des weiteren Verfahrensverlaufs in der zweiten Instanz wird auf die Sachakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 621 e Abs. 1 ZPO i.v.m. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden, mithin zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg.
Nach Auffassung des Senats ist es gerechtfertigt, der Pflegemutter das Personensorgerecht für S. S. in Gänze zu übertragen.
Der Senat folgt zunächst der zutreffenden Ansicht des Amtsgerichts, dass vorliegend kein Sorgerechtsentzug nach §§ 1666, 1666 a BGB verfahrensgegenständlich ist. Auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss wird verwiesen. Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Vormundschaft (§§ 1773 ff. BGB) liegen damit nicht vor.
Die Übertragung des Personensorgerechts auf die Pflegemutter folgt aus § 1630 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB.
Nach dieser Regelung kann das Familiengericht, wenn Eltern ein Kind für längere Zeit in Familienpflege geben, auf Antrag der Eltern oder der Pflegeperson Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeperson übertragen. Für die Übertragung auf Antrag der Pflegeperson ist die Zustimmung der Eltern erforderlich.
Die Pflegemutter hat einen entsprechenden Antrag gestellt. S. ist seit längerer Zeit, nämlich seit 1998, in Familienpflege. Die Zustimmung der Kindesmutter liegt vor. Sie ist mit Schreiben vom 14. April 2003 und 14. O...