Leitsatz
Ein im Jahre 1995 geborenes Mädchen war außerhalb bestehender Ehe der Kindesmutter geboren und lebte seit 1998 in Dauerpflege bei einer Pflegemutter, die im Jahre 2004 beantragte, ihr das Personensorgerecht für das Kind zu übertragen.
Erstinstanzlich wurde ihr lediglich die Gesundheitssorge und die Sorge in schulischen Angelegenheiten übertragen, der Antrag im Übrigen wurde zurückgewiesen.
Sachverhalt
Ein im Jahre 1995 geborenes Mädchen war außerhalb bestehender Ehe der Kindesmutter geboren worden und lebte seit 1998 in Dauerpflege bei einer Pflegemutter, die im April 2004 beantragte, ihr das Personensorgerecht für das Kind zu übertragen.
Dies unter anderem mit der Begründung, die Kindesmutter sei im Jahre 2002 nach Bayern verzogen und mit der Übertragung des Personensorgerechts auf die Pflegemutter einverstanden. Eine entsprechende Erklärung der Mutter war dem Antrag der Pflegemutter beigefügt.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Mutter teilte mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2004 mit, dass die Kindesmutter der Übertragung der elterlichen Sorge auf die Pflegemutter zustimme. Auch diesem Schriftsatz war eine Erklärung der Kindesmutter beigefügt.
Das Jugendamt sprach sich für die Mitwirkung eines Vormunds aus. Die Pflegemutter nehme ihre Aufgabe sehr ernst und versuche, sie gewissenhaft zu erfüllen. In manchen Bereichen zeige sie jedoch noch Unsicherheiten.
In einem Bericht des Pflegekinderdienstes der Caritas aus dem Monat Februar 2005 wurde ausgeführt, dass die Übertragung des Sorgerechts auf die Pflegemutter aus dortiger Sicht nicht günstig sei.
Durch Beschluss vom 10. August 2005 hat das AG der Pflegemutter die Gesundheitssorge und die Sorge in schulischen Angelegenheiten übertragen und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Pflegemutter Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgte.
Das Rechtsmittel der Pflegemutter hatte Erfolg.
Entscheidung
Nach Auffassung des KG war es gerechtfertigt, der Pflegemutter das Personensorgerecht insgesamt zu übertragen.
Der Senat folgte der Ansicht des AG, wonach Gegenstand des Verfahrens kein Sorgerechtsentzug nach §§ 1666, 1666a BGB war. Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Vormundschaft seien damit nicht gegeben.
Die Übertragung des Personensorgerechts auf die Pflegemutter folge aus § 1630 Abs. 3 S. 1 und 2 BGB.
Nach dieser Regelung könne das FamG, wenn Eltern ein Kind für längere Zeit in Familienpflege gegeben hätten, auf Antrag der Eltern oder der Pflegeperson Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeperson übertragen. Für die Übertragung auf Antrag der Pflegeperson sei die Zustimmung der Eltern erforderlich.
Ein entsprechender Antrag sei von der Pflegemutter gestellt worden, die Kindesmutter habe diesem Antrag zugestimmt. Ihre Zustimmung sei ausreichend, da sie allein sorgeberechtigt sei.
Eine Übertragung nur von Teilbereichen der elterlichen Sorge auf die Pflegemutter sei nicht gerechtfertigt, es lagen nach Auffassung des KG vielmehr die Voraussetzungen für die Übertragung des gesamten Personensorgerechts vor.
Die Regelung in § 1630 Abs. 3 BGB bezwecke, dass ein Kind, das sich auf Wunsch des Erziehungsberechtigten in Familienpflege befinde, von der Pflegeperson ordnungsgemäß betreut werden könne. Auf diese Weise könne besonderen Bedürfnissen der Betreuung des Kindes Rechnung getragen werden.
Das KG verwies in seiner Entscheidung auf die divergierenden Ansichten zu der Frage, nach welchen Maßstäben Angelegenheiten der elterlichen Sorge übertragen werden können. Es schloss sich der Auffassung an, wonach der Normzweck der ordnungsgemäßen Kindesbetreuung und das Kindeswohl maßgeblich sind (vgl. Huber, in: Münchener Kommentar, BGB, 4. Auflage, § 1630 Rn. 25 m.w.N.).
Selbst wenn man der anderen Auffassung folgen würde, wonach eine Übertragung nur dann zulässig sei, wenn das Kindeswohl dies erfordere, war nach Auffassung des KG ein Erfordernis der Übertragung der Personensorge in Gänze zu bejahen.
Durch die vom AG vorgenommene Übertragung nur von Teilbereichen der elterlichen Sorge sei eine umfassende Betreuung des Kindes nicht möglich. Dies sei nur dann gewährleistet, wenn die Pflegemutter alle Fragen, die die Personensorge betreffen, regeln könne. Dies betreffe auch den Aufenthalt des Kindes. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass die Kindesmutter ihr Einverständnis mit einer Übertragung des Sorgerechts insgesamt erklärt habe.
Nach Auffassung des KG war die Pflegemutter auch geeignet, die elterliche Sorge auszuüben. Dass sie sich bei Fragestellungen an das Jugendamt gewandt habe, spreche nicht gegen ihre Eignung.
Link zur Entscheidung
KG Berlin, Beschluss vom 08.02.2006, 25 UF 74/05