Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwiderrufliche Zuständigkeitswahl
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
Tenor
Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen nicht vor.
Die Sache ist weiterhin beim AG Schöneberg anhängig.
Gründe
I. Die AG Schöneberg und München streiten über die örtliche Zuständigkeit in einem Rechtsstreit, den die Klägerin durch Stellung eines Mahnantrages beim AG Coburg in Gang gebracht hatte. Die in München ansässige Klägerin macht hierin deliktische und konkurrierende andere Ansprüche wegen arglistiger Täuschung geltend, die die Beklagten in München begangen haben soll. Im Mahnantrag bezeichnete die Klägerin das AG Schöneberg als dasjenige Gericht, an das das Verfahren im Falle eines Widerspruches abzugeben sei. Der Mahnbescheides wurde der Beklagten in Celle zugestellt; zuvor war sie im Bezirk des AG Pankow/Weißensee ansässig; einen Sitz im Bezirk des AG Schöneberg hatte sie - soweit ersichtlich - zu keinem Zeitpunkt. Nach Widerspruch der Beklagten teilte die Klägerin mit Schriftsatz vom 26.5.2008 ggü. dem AG Coburg mit, sie "[beantrage] die Abgabe an das im Mahnbescheidsantrag bezeichnete Streitgericht. Sodann [beantrage sie] die Abgabe an das örtlich zuständige AG in ... Celle". Das AG Coburg gab daraufhin das Verfahren an das AG Schöneberg ab. Nach Übersendung des Schriftsatz vom 26.5.2008 an die Beklagte beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 1.7.2008 die Verweisung an das AG München. Das AG Schöneberg verwies mit Beschluss vom 23.7.2008 den Rechtsstreit an das AG München, weil dieses gem. § 32 ZPO örtlich zuständig sei; auf den Umstand, dass die Klägerin ursprünglich Abgabe an ein anderes Gericht beantragt hatte, ging das AG Schöneberg nicht ein. Das AG München sandte die Gerichtsakten auf richterliche Verfügung vom 10.8.2008 hin an das AG Schöneberg zurück, mit der Begründung, die Klägerin habe ihr Wahlrecht nach § 35 ZPO unwiderruflich zugunsten des AG Celle ausgeübt, eine Verweisung an das AG München sei daher nicht möglich und der Verweisungsbeschluss nicht bindend. Den Parteien übersandte es Abschriften des Hinweises. Das AG Schöneberg legte die Sache mit Verfügung vom 27.8.2008 dem KG unter Bezugnahme auf § 36 ZPO vor.
II.1. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung durch das KG nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind nicht gegeben.
Denn es liegt keine "rechtskräftige" Entscheidung des AG München vor, in der sich dieses für unzuständig erklärt hätte. Die Rückgabeverfügung vom 10.8.2008 stellt keine solche Entscheidung dar, weil eine bloße Rück- bzw. Abgabe keine Bindungswirkung entfaltet und namentlich das Empfangsgericht, d.h. hier das AG Schöneberg, nicht gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindet. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Verfügung den Parteien mitgeteilt wurde. Eine "rechtskräftige" Entscheidung i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist daher nur ein Urteil oder ein Beschluss, nicht aber eine Verfügung (ebenso Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 36 Rz. 24, m. Rspr. N.; vgl. auch Senat, Beschluss vom 13.12.2007, 2 AR 59/07, für den Abgabebeschluss nach § 696 Abs. 1 ZPO).
2. Das AG Schöneberg war als dasjenige Gericht zu bestimmen, bei dem die Sache weiterhin anhängig ist.
Zwar ist mangels Rückverweisung des Rechtsstreits gem. § 281 ZPO durch das AG München die Sache - prozessdogmatisch gesehen - derzeit noch beim AG München anhängig. Jedoch vertritt der Senat die Auffassung, dass in Fällen, in denen eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nicht erfolgen kann, die Bestimmung des Gerichts, bei dem das Verfahren weiter anhängig ist, auch unter Berücksichtigung von Zweckmäßigkeitserwägungen zu treffen ist (Senat, Beschluss vom 17.7.2008, 2 AR 36/08; die Zulässigkeit von Zweckmäßigkeitserwägungen im Bestimmungsverfahren allgemein bejahend: Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 36 Rz. 28, m. Rspr. N.). Vorliegend ist es zweckmäßig, dass das AG Schöneberg den Sachverhalt weiter aufklärt und sodann darüber entscheidet, ob der Rechtsstreit an das AG München oder an das AG Celle zu verweisen ist.
Dabei weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
a) Zunächst wird das AG Schöneberg die - derzeit unklare - Zuständigkeit des AG Celle zu prüfen haben. Hierbei wird es Folgendes berücksichtigen:
aa) Nach dem Briefkopf der von der Klägerin eingereichten Schreiben, hatte eine "I. Ltd." jedenfalls seit Ende März 2006 (Schreiben von 30.3.2006 und 23.1.2007, Anlagen K5 und K6 zum Schriftsatz der Klägerin vom 26.5.2008, Bl. 24 und 25 d.A.) ihren Sitz in London/Vereinigtes Königreich und unterhielt eine Abteilung ("I. Abteilung") in Celle. Sollte es sich bei der "I. Ltd." um die - nach Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages vom 3.3.2006 und der Auftragserteilung vom 13.3.2006 (Anlagen K2 und K4 zum Schriftsatz der Klägerin vom 26.5.2008, Bl. 21 und 23 d.A.) - umfirmierte Beklagte handeln, sollte ferner die "I. Abteilung" die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Niederlassung i.S.v. § 21 Abs. 1 ZPO erfülle...