Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufenthaltsbestimmungsrecht bei einem Umzug des Kindes ins Ausland
Leitsatz (amtlich)
Die Berücksichtigung des Kindeswohls und zur Abwägung der Elternrechte bei der Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, wenn ein Elternteil in Deutschland, der andere im Ausland lebt.
Zu den Anforderungen an ein psychologisches Gutachten im familiengerichtlichen Verfahren.
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 08.10.2010; Aktenzeichen 177 F 6848/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Vaters gegen den Beschluss des AG Tempelhof - Kreuzberg vom 8.10.2010 wird zurückgewiesen.
Der Vater hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 3.000 EUR zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Es wird klargestellt, dass die einstweilige Anordnung des Senats vom 25.10.2010 mit dieser Entscheidung in der Hauptsache ihre Wirksamkeit verloren hat.
Gründe
A. Die Parteien streiten um den Aufenthalt ihres am 9.11.2005 geborenen Sohnes T.
Der Vater (Dipl. Ingenieur, FH) ist Deutscher und selbständiger Unternehmer im Bereich der Pharmaindustrie. Er lernte die russische Mutter (Dipl. Pädagogin für Englisch) im März 2003 in Moskau kennen. Nach der Eheschließung am 3.9.2004 lebten die Eheleute in Deutschland, wobei die Mutter zunächst in der Firma des Vaters beschäftigt war, diese Tätigkeit aber mit Geburt des Kindes aufgab. Im Zuge der Trennung kehrte die Mutter nach Moskau zurück und ist seit 2008/2009 wieder erwerbstätig. Derzeit ist sie in Gleitzeit für eine Firma tätig, die sich mit dem Vertrieb von Augenlinsen befasst.
Zur Trennung kam es auf Betreiben des Vaters, der im August 2008 der Mutter vorschlug, sie möge zusammen mit T.künftig in einer eigenen Wohnung in Berlin leben. Stattdessen flog die Kindesmutter mit T.ohne Wissen des Vaters am 30./31.8.2008 nach Moskau.
Am 8.9.2008 setzte der Vater eine als Ehevertrag bezeichnete Vereinbarung auf, die von beiden Parteien sowie jeweils einer weiteren Person unterzeichnet wurde. Danach war es der Mutter im Falle einer Trennung erlaubt, mit dem Sohn in Moskau zu wohnen, Unterhaltsansprüche sollten einverständlich geregelt werden, die Mutter keine Ansprüche an die Firma des Ehemannes geltend machen.
Am 12.9.2008 erstattete der Vater Strafanzeige gegen die Mutter wegen Kindesentziehung. Das Verfahren wurde im Oktober 2008 mit der Begründung eingestellt, der Aufenthalt der Mutter habe nicht ermittelt werden können.
Am 5.11.2008 leitete der Vater das vorliegende Verfahren mit dem Antrag ein, ihm die alleinige elterliche Sorge für T.zu übertragen.
Am 9.11.2008 trafen sich die Eltern mit T.in Paris und sprachen sich gegenseitig aus. Die Eltern vereinbarten, dass T.mit dem Vater nach Deutschland fährt und die Mutter den Jungen Ende Dezember 2008 wieder nach Moskau holt. Danach sollte T.den Vater wieder im April 2009 besuchen. Entsprechend wurde verfahren.
Auf Bitten des Vaters willigte die Mutter im Mai 2009 darin ein, den Sohn erst Anfang Juni 2009 in Berlin abzuholen. Mit der Begründung, die Mutter plane den Lebensmittelpunkt von T.beim Vater dauerhaft nach Moskau zu verlagern, erwirkte der Vater mit Antrag vom 10.6.2009 den Erlass der einstweiligen Anordnung vom 26.6.2009, wonach ihm das Aufenthaltsbestimmungs-recht für T.allein übertragen und der Mutter untersagt wurde, das Kind außer Landes zu bringen. Erst hierdurch erhielt die Mutter Kenntnis von den ihr zuvor nicht zugestellten Anträgen des Vaters zur elterlichen Sorge.
Nachfolgende Einigungsbemühungen der Eltern, die auf einen (zeitlich begrenzt vom Vater finanzierten) Aufenthalt der Mutter mit T.in Berlin zielten, scheiterten. Die Mutter besuchte T.regelmäßig, im Abstand von ca. 6 Wochen jeweils für mehrere Tage, unternahm mit dem Kind auch kleinere Reisen.
Das AG hat - nach Bestellung eines Verfahrenspflegers für das Kind und Einholung eines Sachverständigengutachtens - mit dem angefochtenen Beschluss vom 8.10.2010 der Mutter antragsgemäß das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen und den Antrag des Vaters auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge zurückgewiesen. Der Sachverständige habe die Fragen des Gerichts dahin beantwortet, dass die Kindesmutter zur Ausübung der elterlichen Sorge eher geeignet sei als Kindesvater. Zur Begründung habe der Sachverständige auf die erkennbar höhere Bindungstoleranz der Kindesmutter sowie auf die stärkere Bindung von T.zu seiner Mutter verwiesen. Das AG folge der Empfehlung des Sachverständigen, der über fachliche Kompetenz und erhebliche Erfahrungen bei der Begutachtung streitiger Sorgerechtsfälle verfüge. Dessen Ausführungen seien klar, nachvollziehbar und überzeugend. Der Gutachter habe insbesondere die fortbestehende Belastungssituation des Kindes durch den Verlust der Kindesmutter während des Aufenthalts beim Kindesvater darstellen können.
Mit der Beschwerde wendet sich der Vater gegen diese Beurteilung. Er macht geltend, das Gutachten des Sachverständigen sei aufgrund erheblicher Untersuchungsfehler wertlos ...