Leitsatz (amtlich)
Zum Forderungsausgleich zwischen Gesamtgläubigern (Ehegatten), wenn die Ehegatten im Innenverhältnis vereinbart haben, dass das Guthaben von vier gemeinsamen Oder-Konten dazu dienen soll, den jüngeren Ehegatten 'abzusichern für den Fall, dass dem anderen Ehegatten etwas passiert' und der jüngere Ehegatte zu einem Zeitpunkt, zu dem der andere Ehegatte sich aufgrund eines Schlaganfalls vollständig handlungsunfähig in einer Reha-Klinik befindet, heimlich das gesamte Kontoguthaben abhebt, sich aneignet und davon für sich eine Immobilie in Spanien erwirbt.
Verfahrensgang
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 93 F 72/22) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den am 30. August 2023 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg - 93 F 72/22 - wird auf ihre Kosten nach einem Beschwerdewert von 143.900 EUR zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin - die getrenntlebende Ehefrau des Antragstellers - wendet sich gegen den familiengerichtlichen Beschluss vom 30. August 2023, mit dem sie verpflichtet wurde, an den Antragsteller insgesamt 143.900,00 EUR nebst näher aufgeschlüsselten Zinsen hieraus sowie vorgerichtliche Anwaltskosten als Nebenforderung in Höhe von 3.020,34 EUR sowie Zinsen hieraus zu zahlen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die familiengerichtliche Entscheidung Bezug genommen.
Zur Begründung, weshalb die Antragsgegnerin verpflichtet sein soll, den Betrag von insgesamt 143.900,00 EUR - unstreitig das gesamte Guthaben von insgesamt vier gemeinschaftlichen ("Oder-") Konten der beteiligten Ehegatten, das die Antragsgegnerin am 26. Februar 2018 und am 1. März 2018 in zwei Transaktionen ohne Wissen oder Wollen des Antragstellers abgehoben und auf ein eigenes, ausschließlich auf ihren Namen lautendes Konto transferiert hat, während der Antragsteller sich nach einem schweren Schlaganfall in einer Reha-Klinik befand - an den Antragsteller zu erstatten, hat das Familiengericht ausgeführt: Bei dem Betrag 143.900,00 EUR habe es sich - unstreitig - um Gelder des Antragstellers gehandelt. Auf den wiederholt geäußerten Wunsch der Antragsgegnerin habe der Antragsteller im Jahr 2017 die Konten, auf denen sein angespartes Vermögen verwahrt war, in gemeinschaftliche Konten umgewandelt. Zweck der Umstellung auf Gemeinschaftskonten sei - unstreitig - gewesen, dass die Antragsgegnerin sich eine wirtschaftliche Absicherung für den Fall gewünscht habe, dass ihrem Ehemann "etwas passiert". Die Eröffnung einer Zugriffsmöglichkeit auf das eigene Vermögen in Form der Einrichtung von gemeinschaftlichen Konten, über die nach den mit der Bank getroffenen Abreden der Antragsteller oder die Antragsgegnerin verfügen konnten, stelle eine ehebedingte, unbenannte Zuwendung des Antragstellers an die Antragsgegnerin dar. Unausgesprochene Bedingung dafür sei gewesen, dass die Ehe unverändert noch "dem Bande nach" Bestand habe und dass die Versorgungs- und Fürsorgegemeinschaft der Ehegatten in der von ihnen bislang gelebten Prägung weiterhin fortgeführt werde. Mit dem absprachewidrigen "Zugriff" auf das gesamte, auf den Gemeinschaftskonten befindliche Vermögen entgegen dem Willen und dem Wissen des Antragstellers zu einem Zeitpunkt, in dem dieser sich - was die Antragsgegner gewusst habe - nach einem Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung in einer Reha-Klinik aufgehalten habe sowie dem Transfer des gesamten Vermögens auf ein eigenes Konto der Antragsgegnerin, um zeitlich unmittelbar daran anschließend in Spanien, an ihrem langjährigen Wohnsitz, eine Immobilie auf ihren eigenen Namen zu erwerben, habe die Antragsgegnerin sich endgültig aus der ehelichen Solidargemeinschaft "verabschiedet". Ihr Tun stelle sich in höchstem Maße als illoyal und rechtsmissbräuchlich dar und sei als endgültige "Aufkündigung" der ehelichen Solidarität zu werten. Da eine Beibehaltung der von der Antragsgegnerin auf diese Weise geschaffenen Vermögenssituation für den Antragsteller in jeglicher Hinsicht unzumutbar und schlechthin untragbar sei, habe entsprechend den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage und außerhalb des Zugewinnausgleichs eine Anpassung der konkludent getroffenen Vereinbarung zu erfolgen und damit eine Rückabwicklung bzw. eine Rückgewähr des von der Antragsgegnerin erlangten Vermögens. Gegenrechte der Antragsgegnerin, die einer Rückforderung entgegenstehen könnten, bestünden nicht.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin. Sie meint, die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für den Anspruch auf Rückabwicklung einer unbenannten Zuwendung seien nicht gegeben. Es sei zu berücksichtigen, dass die Ehegatten im Jahr 2017, als die Zuwendung - die "Umschichtung" des Vermögens des Antragstellers auf Gemeinschaftskonten, auf die die Antragsgegnerin Zugriff erhielt - erfolgt sei, schon längst getrennt gelebt hätten, so dass von einer "in Ansehung der Ehe" bzw. einer durch die Ehe bedingten Zuwendung überhaupt keine Rede sein könne. Zudem habe ein Vermögensausgleich zwischen...