Leitsatz (amtlich)

1. Wenn in zweiter Instanz nicht die Verpflichtung streitig ist, eine Auskunft erteilen zu müssen, sondern die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags gerichtet ist, den Unterhaltsschuldner zur Erteilung von Auskunft zu verpflichten, bemisst sich der Beschwerdewert nach einem Bruchteil des 42-fachen Werts des vom Unterhaltsberechtigten in der Leistungsstufe begehrten Unterhalts.

2. Für die Berechnung der zweijährigen "Sperrfrist" gemäß § 1605 Abs. 2 BGB für das Verlangen des Unterhaltsberechtigten nach einer erneuten Auskunft über das Einkommen und das Vermögen des Unterhaltspflichtigen ist auf den Schluss der letzten Tatsachenverhandlung bzw. auf den entsprechenden Zeitpunkt im schriftlichen Verfahren und nicht auf den Zeitpunkt der Erteilung der Auskunft abzustellen. Deshalb steht einem Unterhaltsberechtigten, der im laufenden Verfahren bereits einen Auskunftstitel erlangt hat, im laufenden Verfahren grundsätzlich auch dann kein erneuter Auskunftsanspruch mehr zu, wenn im laufenden Verfahren seit dem Erlass des Titels mehr als zwei Jahre vergangen sein sollten.

3. Aus Treu und Glauben ist ein Unterhaltsschuldner gehalten, bei eingetretenen Veränderungen eine bereits vorliegende Auskunft zu seinen Einkünften und zu seinem Vermögen im laufenden Verfahren ungefragt zu aktualisieren. Der Unterhaltsberechtigte ist jedoch nicht berechtigt, im laufenden Unterhaltsverfahren alle zwei Jahre voraussetzungslos eine erneute Auskunft zu verlangen und im (Unterhalts-) Stufenverfahren ungeachtet des Vorliegens besonderer Umstände von der Leistungsstufe in die bereits abgeschlossene Auskunftsstufe wieder zurückzukehren.

4. Wenn unstreitig ist, dass der die (bar-) unterhaltsberechtigten, minderjährigen Kinder betreuende Elternteil über deutlich mehr als das zehnfache Monatsnettoeinkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils verfügt und aus der vom barunterhaltspflichtigen Elternteil im Verfahrensverlauf vorgelegten Auskunft über dessen Einkünfte und Vermögen deutlich hervorgeht, dass dieser aufgrund des Bezugs von staatlichen Sozialtransferleistungen offensichtlich nicht leistungsfähig ist und in absehbarer Zeit auch nicht leistungsfähig sein wird, ist die begehrte erneute Auskunft für den Unterhaltsanspruch nicht erheblich, weil es von vornherein an der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen fehlt und deshalb gegen diesen auch kein (Bar-) Unterhaltsanspruch besteht.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Pankow/Weißensee (Aktenzeichen 28 F 6181/17)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den am 10. Mai 2023 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts Pankow - 28 F 6181/17 - wird auf deren Kosten nach einem Beschwerdewert von 8.422,60 EUR zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Antragsteller, zwei minderjährige Zwillingsgeschwister, die im Haushalt ihres Vaters leben, wenden sich gegen den Teilbeschluss vom 11. März 2023, mit dem das Familiengericht den Teilversäumnisbeschluss vom 1. März 2023 aufgehoben und ihren erneuten Auskunftsantrag vom 10. Januar 2023 zurückgewiesen hat.

Zur Begründung hat das Familiengericht darauf verwiesen, dass die Antragsgegnerin, die in Frankreich lebende Mutter der beiden Zwillinge, die ihr obliegende Auskunftspflicht bereits wiederholt erfüllt habe: Zuletzt sei sie durch Teilbeschluss vom 4. Juni 2021 zur Erteilung von Auskunft für den Zeitraum bis Juli 2020 verpflichtet worden (II/121). Der Verpflichtung sei sie nachgekommen und habe zusätzlich die bereits vorliegende Auskunft freiwillig durch ergänzende Auskünfte und weitere Belege aktualisiert. Die zeitlich jüngste Ergänzung sei im April 2022 vorgelegt worden (III/47); seinerzeit habe die Mutter die Angaben zu ihrem Vermögen aktualisiert und unter Vorlage von Belegen erklärt, sie verfüge in Frankreich über ein Sparbuch ("livret A") mit einem Guthaben von ca. 280 EUR, eine Lebensversicherung mit einem Deckungskapital von ca. 14.700 EUR sowie ein Bausparkonto nebst Bausparplan (Compte d'épargne logement und Plan d'épargne logement) mit einem Guthaben von zusammen ca. 32.400 EUR. Das Familiengericht hat weiter darauf verwiesen, dass die von den Kindern begehrte Auskunft unter keinem denkbaren Gesichtspunkt erforderlich sei: Denn die Mutter erziele nach der von ihr erteilten Auskunft Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit in Höhe von maximal etwa 1.000 EUR netto Monat. Teilweise habe sie auch Arbeitslosengeld ("Pôle d'emploi") oder, nach Überschreitung des höchstmöglichen Bewilligungszeitraums, staatliche Sozialtransferleistungen ("Caisse d'Allocations familiales") in deutlich geringerer Höhe als ihre letzten Erwerbseinkünfte bezogen. Demgegenüber verfüge der Vater, der - unstreitig - beim Europäischen ...amt beschäftigt sei und dort - ebenfalls unstreitig - im Mai 2017 ein monatliches Nettoeinkommen von etwa 8.900 EUR und im September 2020 ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 12.000 EUR nebst Familienzuschlägen in Höhe von ca. 1.500 EUR/Monat erzielt habe, über deutlich mehr als das Dreifache dessen, was die Antragsgegnerin im Monat erl...

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