Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsentscheid zur Sperrfrist für Eigenbedarfskündigungen bei vermieteten und vor gesetzlicher Neuregelung veräußerten Eigentumswohnungen
Tenor
Artikel 14 des Gesetzes zur Erleichterung von Investitionen und Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland vom 22. April 1993 (BGBl. I, S. 466, 487) ist nicht auf Fälle anwendbar, in denen das Wohnungseigentum vor dem 1. August 1990 veräußert worden ist.
Gründe
I.
Die in … lebende Klägerin nimmt als Eigentümerin und Vermieterin einer in Berlin gelegenen 3 1/2-Zimmerwohnung die Beklagten, die seit 1964 Mieter der Wohnung sind, auf Räumung in Anspruch. Das Wohnungseigentum wurde nach vorzeitiger vollständiger Rückzahlung der öffentlichen Förderungsmittel am 17. August 1984 durch Eintragung im Grundbuch begründet. Am 10. Dezember 1985 wurde die Wohnung erstmals veräußert. Die Klägerin erwarb das Wohnungseigentum am 4. Juli 1991 und hat das Mietverhältnis mit den Beklagten durch Einschreiben vom 12. August 1993 wegen Eigenbedarfs zum 31. August 1994 kündigen lassen.
Durch Urteil vom 29. November 1994 hat das Amtsgericht die Räumungsklage wegen der Sperrfrist des § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 14 Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz (im folgenden Sozialklauselgesetz genannt) abgewiesen. Das Landgericht möchte die zulässige Berufung der Klägerin mit der selben Begründung zurückweisen, sieht sich jedoch durch den Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. Februar 1995 (Friedrich-Hannemann/Wiek, Handbuch der Mietrechtsentscheide, Bd. III, Nr. 29 = GE 1995, S.420) daran gehindert. Es hat dem Senat gemäß § 541 ZPO folgende Rechtsfrage zum Erlaß eines Rechtsentscheids vorgelegt:
Ist Artikel 14 des Gesetzes zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland vom 22. April 1993 (BGBl. I Seite 466/487) entgegen dem Rechtsentscheid des OLG Stuttgart vom 22. Februar 1995 – 8 REMiet 1/94 – (GE 1995, 420) auch auf Fälle anwendbar, in denen Eigentumswohnungen nach der Überlassung an den Mieter, aber vor Inkrafttreten der genannten Vorschrift verkauft und das Mietverhältnis nach dem Inkrafttreten der genannten Vorschrift wegen Eigenbedarfs gekündigt worden ist?
Das Landgericht begründet seine Divergenzvorlage wie folgt:
Die Rechtsfrage sei für das Berufungsverfahren entscheidungserheblich. Die Klägerin habe ihren Eigenbedarf plausibel und nachvollziehbar dargelegt, indem sie habe vortragen lassen, daß sie sich nach dem Tod ihres Ehemannes nach Berlin zurückziehen und hier ihr Alter im Kreise ihrer Freunde und Bekannten verbringen wolle. Hierfür habe die Klägerin im Hinblick auf das Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen Beweis angetreten. Die Beweisaufnahme über diese Frage erübrige sich, wenn die Vorlagefrage zu bejahen und die Klage im Hinblick auf das Sozialklauselgesetz ohnehin unbegründet sei.
Das Sozialklauselgesetz sei auch auf Fälle anwendbar, in denen Eigentumswohnungen nach der Überlassung an den Mieter aber vor Inkrafttreten des Sozialklauselgesetzes verkauft und das Mietverhältnis sodann nach Inkrafttreten des Sozialklauselgesetzes wegen Eigenbedarfs gekündigt worden sei. Die vom Oberlandesgericht Stuttgart in seinem Rechtsentscheid vom 22. Februar 1995 vertretene Rechtsauffassung, daß das Sozialklauselgesetz nicht auf Fälle anwendbar sei, in denen die Veräußerung des Wohnungseigentums vor dem Inkrafttreten des Sozialklauselgesetzes am 1. Mai 1993 erfolgt sei, sei nicht richtig.
Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dem von dem Gesetzgeber mit dem Gesetz verfolgten Zweck könne entnommen werden, daß das Sozialklauselgesetz sich auf Verkaufsfälle ab 1. Mai 1993 habe beschränken sollen. Ohne Vorliegen einer Übergangsregelung gelte das Gesetz dem Wortlaut nach für alle Verkaufsfälle. Das Gesetzgebungsverfahren spreche eher für eine Bejahung der Vorlagefrage. Die Wortmeldung des Bundestagsabgeordneten Dr. Freiherr von Steffen am 26. März 1993 könne im Hinblick auf das im übrigen kontrovers verlaufene Gesetzgebungsverfahren lediglich als die Bekanntgabe einer persönlichen Auffassung angesehen werden. Denn schon der Gesetzentwurf des 19. Ausschusses des Bundestages habe in Art. 11a des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes eine Regelung vorgesehen, die sich auf alle Umwandlungsfälle vor Erlaß des Gesetzes bis zum 31. Dezember 1987 bezogen habe. Wenn der Bundesrat diese Regelung für unzureichend gehalten und der daraufhin im Vermittlungsausschuß gefundene Kompromiß als „erheblich verschärftes Mieterschutzmodell” angesehen worden sei, könne nicht mehr von einer Beschränkung des Gesetzes auf künftige Umwandlungsfälle nach Inkrafttreten des Gesetzes ausgegangen werden. Schließlich habe der Bundesrat im zweiten Durchgang des Vierten Mietrechtsänderungsgesetzes im Vermittlungsausschuß beantragen lassen, über Art. 5a des Vierten Mietrechtsänderungsgesetzes dem Sozialklauselgesetz klarstellend hinzuzufügen, daß das Gesetz nicht anwendbar sein solle, sofern der auf die Veräußerung...