Entscheidungsstichwort (Thema)

Tätigwerden des Anwalts des Berufungsgegners als Voraussetzung für die Entstehung der Verfahrensgebühr; Erstattungsfähigkeit bei fristwahrend eingelegter Berufung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Entstehung der Verfahrensgebühr nach VV 3 201 für den Anwalt des Rechtsmittelgegners setzt nicht voraus, dass dieser sich bereits zum Verfahren bestellt.

2. Die Bitte an den erstinstanzlichen Bevollmächtigten des Rechtsmittelgegners, sich vorerst noch nicht beim Berufungsgericht zu bestellen, schließt die Erstattungsfähigkeit der durch die Beauftragung mit der Vertretung in der Rechtsmittelinstanz erwachsenen Verfahrensgebühr nach VV 3201 nicht aus.

3. In diesem Falle bedarf es auch keiner weiteren Glaubhaftmachung des Gebührenansatzes.

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 3201; ZPO § 91 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 27.12.2004; Aktenzeichen 23 O 219/01)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt bis 2.000 EUR.

 

Gründe

Das Rechtsmittel ist gem. § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO zulässig, hat jedoch in der Sache aus den im klägerischen Schriftsatz vom 20.1.2005 genannten Gründen keinen Erfolg. Ergänzend ist auszuführen:

1. Einer weiteren Glaubhaftmachung des Vortrages, der Klägervertreter habe den Auftrag gehabt, die Kläger auch in der Berufungsinstanz zu vertreten, bedurfte es nicht. Insbesondere bedurfte es eines Bestellschriftsatzes hierzu nicht. Der Klägervertreter entsprach insoweit der Bitte der Beklagtenvertreter, sich vorerst noch nicht beim KG zu bestellen.

2. Die Gebühr nach VV 3201 erforderte ein Tätigwerden aufgrund des Auftrages, das jedoch nicht nach außen in Erscheinung treten musste und lediglich in der Entgegennahme des Auftrags und der Information bestehen konnte (Gerold/Schmidt/Müller/Rabe, RVG, VV 3200 Rz. 49). Soweit der Auftrag - wie offenbar im vorliegenden Fall - schon mit dem erstinstanzlichen Mandat zur gerichtlichen Geltendmachung der Klageforderung erteilt wurde, bedurfte es nach Zustellung der Berufungsschrift gem. § 172 Abs. 2 ZPO keiner besonderen Auftrags- oder Informationserteilung. Die mit der Empfangnahme der Rechtsmittelschrift und deren Weiterleitung an den Auftraggeber entfaltete Tätigkeit ist zwar mit der erstinstanzlichen Verfahrensgebühr nach VV 3100 abgegolten, § 19 Abs. 1 Nr. 9 RVG. Daraus folgt aber nicht, dass das Entstehen der weiteren Verfahrensgebühr nach VV 3201 eine zusätzliche Tätigkeit des beauftragten Rechtsanwalts erfordert, die in diesem Stadium des Verfahrens für den Vertreter des Rechtsmittelgegners auch nicht veranlasst ist.

3. Ein Stillhalteabkommen ist nicht geschlossen worden, so dass es auf die in diesem Falle geltenden erstattungsrechtlichen Grundsätze (Gerold/Schmidt/Müller/Rabe, RVG, VV 3200 Rz. 54-57) nicht ankommt. Zwar haben die Berufungskläger bei der fristwahrenden Einlegung der Berufung die Bitte an den Klägervertreter ausgesprochen, anwaltlich noch nicht im Berufungsverfahren tätig zu werden. Dies konnte aber keine rechtliche Verpflichtung für den Klägervertreter begründen, die Gebühr nach VV 3201 nicht geltend zu machen, und erst recht nicht für die Auftraggeber, insoweit keine Erstattung ihrer Kosten zu verlangen. Aus den Gründen zu 2) ist es für die Entstehung und Erstattungsfähigkeit der Gebühr nämlich nicht erforderlich, dass der Rechtsanwalt sich mit einem Meldeschriftsatz zum Verfahren bestellt.

4. Der Erstattungsfähigkeit gem. § 91 Nr. 1 ZPO steht schließlich auch nicht, wie die Beklagten meinen, der Gesichtspunkt entgegen, dass ein Tätigwerden des Rechtsanwalts im Berufungsverfahren solange objektiv nicht erforderlich gewesen sei, wie die Beklagten über die Durchführung des Berufungsverfahrens noch nicht entschieden hätten. Dieser Gesichtspunkt betrifft nur eine die volle Gebühr nach VV 3200 auslösende weiter gehende Tätigkeit des Rechtsanwalts, nicht schon die Entgegennahme des Auftrags zur Vertretung in der Berufungsinstanz, deren Notwendigkeit aus der Sicht einer "verständigen Prozesspartei" zu beurteilen ist und im Regelfall nicht verneint werden kann (BGH NJW 2003, 756 [757]).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1375140

JurBüro 2005, 418

Rpfleger 2005, 569

RVGreport 2005, 314

OLGR-Ost 2005, 684

www.judicialis.de 2005

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